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Gasversorger lenken ein

Privatkunden können schon zum 1. April den Anbieter wechseln

Von Dirk Schröder
Bielefeld/Bonn (WB). In den Gas-Markt kommt Bewegung. Auf Druck des Bundeskartellamtes und der Verbraucher ermöglichen die großen Gasversorger in Deutschland schon vom 1. April an ihren Privatkunden den Wechsel zu einem Konkurrenten. E.ON hatte diesen Schritt bereits am Montag angekündigt.

Im Gegenzug hat das Bundeskartellamt ein Missbrauchsverfahren wegen des Verdachts überhöhter Endkundenpreise gegen überregionale Gasversorgern wie Branchenführer E.ON mit allen Töchtern, RWE Westfalen-Weser-Ems, Mitgas, Spreegas, Entega sowie einen Eigenbetrieb der Thüga eingestellt. Die Wettbewerbshüter hatten Preisdifferenzen von mehr als 40 Prozent zwischen den günstigsten und den teuersten Anbietern festgestellt.
Die Preise für Erdgas waren im Januar 2006 so hoch wie nie zuvor. Für eine Leistung von 33 540 Kilowattstunden, was einer Menge von etwa 3000 Liter Heizöl entspricht, mussten Verbraucher nach Angaben des Hamburger Energie Informationsdienstes 1935 Euro bezahlen. Derzeit ist Erdgas fast doppelt so teuer wie noch vor fünf Jahren. Etwa jeder zweite deutsche Haushalt heizt mit Gas.
Nur auf den ersten Blick ist die Öffnung für wechselwillige Kunden eine erfreuliche Nachricht. »Mit Wettbewerb hat das nicht viel zu tun«, sagte denn auch der Energieexperte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), Holger Krawinkel.
In der Tat wird noch kein großer Wettbewerb entstehen. Das hat auch eine Umfrage in Ostwestfalen-Lippe ergeben. Die Gasversorgung Westfalica (Bad Oeynhausen) sieht derzeit keinen Handlungsbedarf für eine erweiterte Liberalisierung, nur weil andere Firmen vorpreschten. Westfalica habe Ende Januar der Bundesnetzagentur einen Vorschlag für Durchleitungsentgelte vorgelegt und bereite sich nun auf den tatsächlichen Wettbewerb auf dem Gasmarkt von Oktober an vor.
In der Praxis sei der kurzfristige Wechsel zu einem anderen Gasanbieter wohl kaum zu bewerkstelligen, stellte der Geschäftsführer der Herforder Stadtwerke, Detlef Jeretzky, fest. »Es sind überhaupt noch keine Netznutzungsentgelte genehmigt worden.« Bis zum eigentlichen Liberalisierungs-Stichtag am 1. Oktober seien noch viele Fragen offen.
Die Stadtwerke Vlotho wollen nichts unternehmen. Sie halten sich an den Zeitplan der Bundesnetzagentur, die erwartet, dass Regelungen über Konkurrenz am Gasmarkt erst am 1. Oktober greifen werden. Auch die technischen Werke Osning in Halle (Kreis Gütersloh) wollen abwarten, wie die großen Versorger mit der neuen Regelung wollen.
Im Prinzip könne sich der Kunde nun einen anderen Anbieter suchen, meinte gestern ein RWE-Sprecher in Dortmund. Entscheidend werde sein, ob ein Konkurrent tatsächlich zu günstigeren Preisen liefern könne. Zudem seien etliche Details noch nicht geklärt.
Kartellamts-Präsident Ulf Böge räumte denn auch ein, für die 17 Millionen Gaskunden in Deutschland dürfe das Modell nur eine Übergangslösung sein. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 15.02.2006