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Nichts Gutes
aus Minden
berichtet

Ein Wintermärchen

Von Hartmut Horstmann
Minden (WB). Ein hemdsärmeliger Ostwestfale wäre der galante Spötter und Paris-Freund Heinrich Heine wohl nie geworden. Doch immerhin setzte er der Region mit einer Reise, die auch nach Paderborn und Minden führte, ein literarisches Denkmal der besonderen Art.

Vor allem die Weserstadt mit ihren militärischen Festungsmauern eignete sich hervorragend für die satirische Darstellung in »Deutschland - ein Wintermärchen«. Probleme mit der Zensur und Anfeindungen hatten Heine 1831 veranlasst, ins französische Exil zu gehen. Und doch oder gerade deswegen blieb eine schmerzliche Liebe zum Vaterland. In Hamburg lebte seine Mutter, und der Autor unternahm 1843 und 1844 zwei Reisen durch die deutschen Lande - Ausgangspunkt der »Wintermärchen«-Dichtung.
Das 1844 entstandene Versepos gehört zu den bekanntesten Werken Heines. Die Stationen der Reise von Köln nach Hamburg dienen dem Autor auch als Anlass, über sein Verhältnis zu Deutschland, zu Preußen, zur Politik nachzudenken. Bloße Vertröstungen auf ein Jenseits lehnt er ab, stattdessen formuliert er sein Bekenntnis zum Hier und Jetzt: »Wir wollen hier auf Erden schon/Das Himmelreich errichten.«
Angesichts dieser verheißungsvollen Glücks-Utopie fällt das reale Deutschland-Bild satirisch-vernichtend aus. So auch das 18. Kapitel, das mit den Versen beginnt: »Minden ist eine feste Burg/Hat gute Wehr und Waffen!/Mit preußischen Festungen hab ich jedoch/Nicht gerne was zu schaffen.« Von einer schaurigen Zugbrücke, dunklen Gräben, schlechtem Essen und noch schlechterem Schlaf ist im Folgenden die Rede: »Ich lag zu Minden in schwitzendem Bett.« Der spöttisch reimende Ich-Erzähler träumt von Zensur und dem preußischen Adler und atmet erst wieder auf, als er die Stadt verlässt.
Drei Jahrzehnte später wurden die Festungsmauern geschleift. Weg mit dem Symbol von Enge und Unfreiheit - doch es gehört zur Ironie der Geschichte, dass es im gegenwärtigen Minden Bestrebungen gibt, einen Teil des alten Bollwerks zu rekonstruieren. Die Wirklichkeit droht, zur Heineschen Satire zurückzukehren.

Artikel vom 15.02.2006