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Wenn nichts mehr hilft

Doku über die psychischen Belastungen von Ärzten

ARD, 23.15 Uhr: Wie werden Mediziner damit fertig, dass sie einem Patienten nicht mehr helfen können?

Werden sie in ihrer Ausbildung auf ausweglose Situationen vorbereitet? Wissen Medizinstudenten, worauf sie sich einlassen, wenn sie den Arztberuf anstreben? Diese Fragen wirft der Film »Die Ohnmacht der Ärzte« auf, der heute zu später Stunde nach Karneval und »Scheibenwischer«-Kabarett im Ersten zu sehen ist.
Dokumentarfilmerin Yvonne Menne zeigt etwa den Oberarzt Dr. Neumann in der Krebsstation einer katholischen Klinik in Norddeutschland. Sein Fazit: »Am Krankenbett muss man die Wahrheit sagen - aber so, dass dem Patienten immer noch Hoffnung bleibt.« Neumann hat täglich mit todkranken Menschen zu tun. Allzu oft muss er seinen Patienten und sich selbst eingestehen, dass er medizinisch kaum noch etwas tun kann, außer die Schmerzen zu lindern. Es ist eine immer wiederkehrende Extremsituation.
Anders und doch ähnlich ist die Situation des Frankfurter Hausarztes Dr. Sohn. Er betreut Sterbende zu Hause und erlebt die Angst der Angehörigen, mit dem Todkranken allein zu bleiben. Auf die Furcht der Patienten vor unerträglichen Schmerzen kann er nicht allein mit Medikamenten reagieren. Auch Zuspruch und Beistand werden ihm abverlangt. Das Familienleben des Arztes leidet oft darunter, dass ihn das Schicksal der Patienten nicht loslässt.
Für Sandra Stippich liegt der Alltag der Ärztin noch in der Zukunft. Die Medizinstudentin will später Menschen auf ihrem letzten Weg begleiten. Sie hat jahrelang als Physiotherapeutin auf der Intensivstation einer Unfallklinik gearbeitet, wo sie es mit Querschnittsgelähmten und Komapatienten zu tun hatte. Dort hat sie auch erlebt, wie Ärzte im Alltag abstumpfen können. Respekt vor dem Kranken und die Wahrung der Würde des Patienten sind für sie von elementarer Bedeutung.
Doch auch viele Ärzte leiden irgendwann unter der eigenen Ohnmacht. So ist es wohl kein Zufall, dass die Selbstmordrate unter Ärzten höher ist als in vielen anderen Berufsgruppen. Autorin Menne jedenfalls stellt in ihrem Film fest, dass die Mediziner während der Ausbildung zu wenig auf diese Seiten ihres späteren Berufs vorbereitet werden. Medizinischer Fortschritt, moderne Biowissenschaften und ein enormer Kostendruck stellen Ärzte zudem vor neue ethische Herausforderungen. Wie sollen sie reagieren, wenn aus Kostengründen nicht für jeden Patienten jede Behandlung möglich ist? Wo doch noch nie so viel medizinisch machbar war.

Artikel vom 15.02.2006