15.02.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Unschuldiger
soll für seinen Prozess zahlen

583 Tage zu Unrecht im Gefängnis

Von Christian Althoff
Blomberg (WB). 583 Tage hatte Michael K. (38) unschuldig im Gefängnis gesessen, bevor er 2002 rehabilitiert worden war. Vier Jahre danach hat ihn der Fall jetzt wieder eingeholt: Das Justizopfer soll 1643 Euro Gerichtskosten zahlen. 
Justizopfer Michael K. wird jetzt zur Kasse gebeten. Foto: Althoff

Der vierfache Vater und Nebenerwerbslandwirt aus Blomberg (Kreis Lippe) war 1999 vom Landgericht Detmold wegen zweifacher Vergewaltigung zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden. Angezeigt hatte ihn eine Frau, an die er ein kleines Haus auf seinem Hof vermietet hatte. Den Beteuerungen des Bauern, die Frau wolle sich mit der Anzeige nur für einen Streit um Mietschulden rächen, hatten die Richter nicht geglaubt.
Noch während Michael K. in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne saß, strengte das vermeintliche Vergewaltigungsopfer (35) einen Zivilprozess gegen den Landwirt an und forderte 15 000 Euro Schmerzensgeld. Womit die Frau nicht gerechnet hatte: Detlev Binder, der Anwalt des Landwirts, präsentierte in der Verhandlung Zeugen, die die Geschichte der Frau widerlegten. Diese Bekannten der Frau sagten aus, die Mieterin und ihr Freund hätten ihnen gegenüber zugegeben, die Vergewaltigungen nur erfunden zu haben, um dem Landwirt »eins auszuwischen«. Michael K. gewann nach diesen Zeugenaussagen nicht nur den Zivilprozess, sein Fall wurde auch neu aufgerollt. Im August 2002 sprach das Landgericht Paderborn den Nebenerwerbslandwirt frei.
»Ich dachte, ich hätte das alles hinter mir gelassen, als ich jetzt überraschend Post bekam«, sagt Michael K. 1643,15 Euro Verfahrenskosten will das Gericht von ihm haben - für den Zivilprozess, den die Mieterin angestrengt und verloren hatte. »Die Justizkasse hat offenbar jahrelang vergeblich versucht, diese Summe bei der Frau einzutreiben, doch die ist inzwischen mittellos. Deshalb soll ich jetzt dafür aufkommen - angesichts der ganzen Vorgeschichte ein Skandal!«, wettert der 38-Jährige. Gegen die Zahlungsaufforderung wehren kann er sich allerdings nicht: »Das ist die Rechtslage - auch wenn sie nur schwer nachzuvollziehen ist«, bedauert Rechtsanwalt Binder.
An seine Haftzeit will sich Michael K. nicht mehr erinnern. »Das Schlechte verdrängt man«, sagt er. Niemals vergessen wird er allerdings, dass seine jüngste Tochter damals zur Welt kam: »Sie haben mir zwar Sonderurlaub gegeben, aber gesagt: Die Tage hängen wir hinten wieder dran.«
Für die Haft hat das Land NRW Michael K. mit elf Euro pro Tag entschädigt. Die Summe, die das Land jetzt fordert, entspricht der Entschädigung für 149 Tage Gefängnis.

Artikel vom 15.02.2006