14.02.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Die abgewetzte Tastatur

Schriftsteller liebten Klappern der Schreibmaschinen

Von Dietmar Kemper
Paderborn (WB). Wenn Schriftsteller am PC sitzen, befällt sie »die Furcht vor dem Absturz«, bekennt Vielschreiber Peter Härtling. Ein Text in einer Maschine sei ihnen unheimlich.
Franz Kafka tippte den »Prozess« auf seiner Schreibmaschine.

Damit ein Programmfehler nicht Poesie vernichtet, klammern sich Autoren an ihren klappernden Schreibmaschinen fest. Dabei ist deren Zeit eigentlich abgelaufen. Das innige Verhältnis zwischen Schriftstellern und ihren Schreibmaschinen zeigt die gleichnamige Ausstellung im Foyer des Heinz-Nixdorf-Museumsforums in Paderborn.
Zu sehen sind 18 Modelle, wie sie von berühmten Autoren benutzt wurden. Darunter eine Original »Columbia Barlock«, die Hans Fallada verwendete und bei der die häufig benutzten Buchstaben E, R und S kaum noch zu erkennen sind, das Q aber fast unberührt ist. Die Maschinen werden mit einem Foto des Autors, dem Faksimile einer Schriftprobe und einem Werkbeispiel präsentiert. Besucher erfahren, dass Bertolt Brecht ein Freund der »Erika« war, Hermann Hesse lange Jahre einer Smith Premier No. 4 mit Volltastatur vertraute und Franz Kafka auf einer Oliver 5 schrieb.
Das Museum habe auch eine Original-Schreibmaschine des englischen Schriftstellers Alan Sillitoe ersteigert, sagte gestern die Kuratorin für Schreib- und Bürotechnik des HNF, Margret Schwarte-Amedick, dieser Zeitung. Zudem habe ein Neffe von Joachim Ringelnatz ein Bild zur Verfügung gestellt, das den Satiriker samt Frau vor seiner Maschine zeigt. Gut 500 Schreibmaschinen lagern im Bauch des Computermuseums, 101 stehen in der Dauerausstellung, 50 weisen eine Verbindung zu Autoren auf.
Die Freunde wohlgesetzter Worte schätzten die bisweilen laute »Geräuschkulisse poetischer Arbeit«, schrieb Peter Härtling 1994 in dem Buch »Der Gänsekiel oder womit schreiben?«. So wie Gänsekiel, Feder und Füller erfordert die Schreibmaschine konzentriertes Arbeiten, weil sich Fehler nicht so schnell korrigieren lassen wie am Computer. Deshalb fürchten Autoren, dass der PC Schludrigkeit fördert. »Wer Dichtung will, muss auch die Schreibmaschine wollen«, betonte Arno Schmidt und Friedrich Nietzsche stellte 1882 fest: »Unser Schreibzeug arbeitet mit an unseren Gedanken.«
Viele Schriftsteller sähen in der Schreibmaschine mehr als nur ein Werkzeug, sagte gestern die Leiterin des Literaturbüros OWL in Detmold, Brigitte Labs-Ehlert. Einige verzichteten sogar ganz auf technische Hilfe und vertrauten allein ihrer Hand. Zwischen Autoren und Schreibmaschinen herrsche »Liebe auf den ersten Blick«, glaubt Peter Härtling. Beim Anblick der Tasten reife »die Hoffnung auf ein Meer von Buchstaben, Silben, Wörtern, Sätzen«. Die Ausstellung im Foyer des Museums ist noch bis zum 17. April zu sehen (Telefon: 05251/306600).

Artikel vom 14.02.2006