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Alles, was Odem hat, lobe den Herrn . . .

Abschlusskonzert der Haller Bachtage in Altstadt Nicolai

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Die Haller Bachtage sind nicht nur das Konzertfestival Ostwestfalens schlechthin, sie sind im Laufe von Jahren auch zu einem Markenzeichen geworden, das für ingeniöse Musizierkunst auf hohem Niveau steht. Wer daran teilhaben wollte, musste bislang in die Nachbargemeinde fahren. Nicht so in diesem Jahr.

Erstmals gastierte der Bach-Chor mit einer Wiederholung des Abschlusskonzertes der 43. Haller Bachtage in Bielefelds Altstädter Nicolaikirche. Das an Chormusik interessierte Bielefelder Publikum weiß um die Qualität des von Kirchenmusikdirektor Martin Rieker künstlerisch geleiteten Festivals und reihte sich am Sonntag geduldig wartend in die Schlange ein, die sich ob des Ansturms auf die begehrten Karten gebildet hatte.
Und das Anstehen sollte belohnt werden mit Musik von Johann Sebastian Bach (Sanctus aus h-Moll-Messe) und Felix Mendelssohn Bartholdy (Lobgesang), die in ihrer erhebenden Wiedergabequalität verzückte. Dank der besonderen Unterstützung durch die August Strock KG war es zudem möglich, mit dem Bach-Orchester Hannover und Christof Pülsch an der Orgel ein Ensemble aus profunden Musikern und Musikerinnen zu verpflichten, die das auf rhythmische Impulskraft bauende Dirigat Riekers in bewegte Klangrede setzten.
Bereits im »Sanctus« gefielen die präzisen und markig akzentuierten Triolenbänder in den Streichern, mittels derer sich das Wogen der himmlichen Heerscharen förmlich zu materialisieren schien. Himmlische Macht und Größe repräsentierte auch der Chor, der sogleich kraftvoll, dabei nicht minder geschmeidig die melismenreichen, eng geführten Melodiebänder meisterte und mit einer in gebotener Trennschärfe und Vitalität vollzogenen Pleni sunt coeli-Fuge überzeugend abschloss.
Mendelssohns Lobgesang op. 52 kennt viele Schattierungen: Den hymnischen Jubel, die dramatische Höllenangst, tröstende Erlösung und innigen Dank. 1840 zum 400. Jahrestag der Buchdruckerkunst in monumentaler Anlage komponiert, spielt das Werk sinnbildlich auch auf den Sieg des Lichts (Wissens) über die Finsternis (Unkenntnis) an. Leitmotivisch durchzieht das rhythmisch punktierte Thema des »Alles, was Odem hat, lobe den Herrn« die Sinfonie-Kantate. Rieker dient es immer wieder als Quelle, aus dem sich Spannung und Drive speisen. Nach pathetischem, sinfonischen Einstieg alternieren Solisten und Chor in kongenialer Ausdruckskraft und Klangsinnlichkeit. Mit den Solisten Cornelie Isenbürger und Victoria Biehal (beide Sopran) sowie Luca Martin (Tenor) gewann das Werk ungemein an lyrischem Empfindungsreichtum, derweil der bestens eingestellte Chor klangliche Frische und Enthusiasmus beisteuerte. - Berührend und erhebend!

Artikel vom 14.02.2006