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Hackls Abschied ohne Wehmut

Des Rodel-Rentners neue Ufer: Trainer und IOC-Athletenkommission

Turin (dpa). Georg Hackl legte den Schlitten zur Seite, verneigte sich noch einmal vor seinem Publikum und brach dann nach fast 30 Jahren Rodelsport ohne Wehmut auf zu neuen Ufern.

»Ich bin erleichtert, dass es vorüber ist, dass ich endlich befreit bin von diesem Druck. Ich freue mich auf neue Freiräume«, sagte der 39-Jährige nach seinen sechsten Olympischen Winterspielen. Doch seinem Sport will der Berchtesgadener verbunden bleiben: »Mein Traum ist es, das Rennrodeln nun als Trainer voranzubringen.«
Bis in die frühen Morgenstunden hatte Hackl im Kufenstüberl bei Weißbier und bayerischer Blas- und Zithermusik sein letztes Rennen ausklingen lassen. Nach seinen gesundheitlichen Problemen (»Was habe ich in all den Jahren aushalten müssen«) reichte es für den Routinier auf dem Hochgeschwindigkeitskurs von Cesana am Ende nur für Platz sieben. Hackl musste sogar seinen jungen Teamkollegen David Möller und Jan Eichhorn den Vortritt lassen. Doch der frisch gebackene Rodel-Ruheständler war dennoch entspannt und gelöst: »Ich habe die Läufe wirklich genossen. Aber es reicht halt nicht mehr, um ganz vorne in der Weltspitze mitzufahren.«
1977 hatte sich der Berchtesgadener dem Rodelsport verschrieben, 1988 holte Hackl in Calgary seine erste olympische Silbermedaille. Es folgten eine fast unvergleichliche Karriere und ein Leben im Rampenlicht. Der Ur-Bayer schaffte das Kunststück, in einer Randsportart zu einem der prominentesten Sportler Deutschlands aufzusteigen. »Ich bin dankbar für die Zeit«, sagt Hackl. »Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht - und das ist das Beste.« Ein wenig Granteln muss dann aber doch sein: »Als Tennisspieler wäre ich jetzt vielleicht Multi-Millionär.«
Dass Hackl mit seinem Abschied eine riesige Lücke im deutschen Rodelsport hinterlässt, wissen auch seine vor ihm platzierten Mitstreiter. »Der Schorsch war immer ein Zugpferd für unseren Sport«, sagt David Möller, der trotz Bestzeit im letzten Lauf nur auf den fünften Platz vor seinem Kollegen Eichhorn kam. »Er war uns ein guter Lehrmeister.« Einen letzten Tipp hatte Hackl noch für seinen Kronprinzen parat, mehr Ruhe und Gelassenheit müsse der 24-Jährige aufbauen, schrieb er dem bei Olympia zu spät in Fahrt gekommenen Ex-Weltmeister ins Stammbuch. »David will zu viel.«
Nun stehen für den Ur-Bayern ganz neue Herausforderungen an: »Ich muss jetzt erst einmal den Umgang mit Computern lernen.« Bereits Ende April will Hackl seine Trainerausbildung beginnen. »Ich möchte meine Erfahrungen weiter geben.« Zunächst betreibt Hackl in Turin noch Wahlkampf: Der 39-Jährige will den Sprung in die Athletenkommission des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) schaffen. »Das IOC ist das höchste Gremium überhaupt - da spielt die Musik. Es ist sehr wichtig, dass die Athleten ein Sprachrohr haben«, meint Hackl.
Seine letzten olympischen Stunden will er sportlich verbringen: »Ich habe meine Tourenski dabei und werde jeden Morgen meine Trainingseinheiten absolvieren.« Immerhin hat der »Hackl-Schorsch« im März noch einen Titel zu verteidigen: »Ich trete bei der Wok-WM an. Vielleicht wird das ja eines Tages olympisch.«

Artikel vom 14.02.2006