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Deutscher Teamgeist
schon wieder verflogen

Franzosen reden nicht nur drüber - sie leben ihn auch

Von Oliver Kreth
Halle (WB). Sie hatten ihn gebetsmühlenartig beschworen - den neuen Geist im Team. Doch wie brüchig dieses zarte neue DTB-Pflänzchen ist, zeigte sich an diesem Wochenende in Halle.
Immer dieser Ärger für und um Nicolas Kiefer.

Ein bisschen hatte man damit rechnen können, dass in der durch Erfolge zusammen geschweißten Zweckgemeinschaft der Deutschen bei einer Niederlage Risse sofort sichtbar würden.
Den Unverstandenen vom Dienst gab erneut Nicolas Kiefer. So monierte die Nummer zwölf der Weltrangliste mangelnde Unterstützung während seines Auftaktmatches gegen den Franzosen Sebastien Grosjean. Während der Partie kam es außerdem zu heftigen Wortgefechten mit Davis Cup-Kapitän Patrik Kühnen. Der wehrte sich auch nachher verbal: »Das ist völlig aus der Luft gegriffen.«
Negativ stieß vielen Zuschauern das Verhalten des Melbourne-Halbfinalisten während der Doppelbegegnung auf. Während das Team häufig Tommy Haas und Alexander Waske anfeuerte, blieb »Kiwi« sitzen. Dass er als einziger nicht ins Teamdress gekleidet war, ist nur ein weiterer negativer Tupfer auf der Teamgeist-Weste.
Wenigstens nahm Kiefer die Kritik an diesem Verhalten so ernst, dass er gestern sein Nicht-Spielen begründete. Kiefer entschuldigend: »Ich habe immer noch Probleme mit meinem Fuß. Morgen muss ich deshalb noch Mal in die Kernspintomographie. Der Arzt hat mir untersagt, zu spielen. Vor allem, weil es ja jetzt um nichts mehr geht.«
Sicherlich eine vernünftige Entscheidung, den Körper (Bänderödem am linken Fuß) zu schonen. Doch die Erklärung, »bei einem 1:2 oder 2:1 wäre ich angetreten«, wirkte nicht überzeugend. Genau so wenig, wie die nachgelieferte Begründung, warum er am Samstag so häufig die deutsche Box verlassen hatte. Kiefer: »Ich muss momentan viel trinken. Deshalb musste ich häufig auf die Toilette. Das ist doch normal. Ich bin eben auch nur ein Mensch.«
Während es im deutschen Team trotz heftiger Dementis (Kiefer: »Diese Entscheidung haben wir gemeinsam getroffen«) schon wieder kriselt, redeten die Franzosen nicht nur von Teamgeist, sondern lebten ihn auch. »Meine Jungs sind Freunde, fast Brüder. Sie fahren sogar zusammen in den Urlaub, und auch die Frauen treffen sich regelmäßig«, erzählte Teamchef Guy Forget, der es sich leisten kann, einen Top-Mann wie den eigenwilligen Fabrice Santoro auszuschließen. Kühnen indes musste an seinem 40. Geburtstag am Samstag die Wogen glätten, nachdem sich Kiefer zunächst wie ein »Ausgestoßener« präsentiert hatte und sich dann auch noch krank meldete.

Artikel vom 13.02.2006