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Jubel in »bleue«: Doppel-Weltmeister Michael Llodra (hinten) und Arnaud Clement feiern in Halle.

Französisches Revolutiönchen

Tennis: Erstmals gibt ein deutsches Davis Cup-Team in Halle klein bei

Von Hans Peter Tipp (Text)
und Sören Voss (Fotos)
Halle (WB). Die Erwartungen waren riesig, die Enttäuschung noch viel größer. Die von Titelhoffnungen begleitete Rückkehr des deutschen Davis Cup-Teams in die Weltgruppe endete schon am Samstag vor 7300 Zuschauern im Gerry Weber Stadion gegen Frankreich mit einem vorzeitigen Knockout.

Nach den Einzelniederlagen von Nicolas Kiefer und Thomas Haas am Tag zuvor mussten sich Alexander Waske und Haas gegen Michael Llodra/Arnaud Clement trotz guten Starts mit 7:6 (8:6), 3:6, 4:6, 1:6 geschlagen geben. Damit war Deutschland raus.
»Wir haben alles versucht, aber die Franzosen waren besser«, sagten Waske und Haas nach dem fast dreistündigen Match, das einer kleinen französischen Revolution gleich kam. Erstmals verlor ein deutschen Davis Cup-Team in Halle, Niederlagenpremiere auch für das Doppel Waske/Haas in diesem Mannschaftswettbewerb. Und für den bulligen Doppelspezialisten Waske war es zudem die erste Davis Cup-Pleite überhaupt.
Nach zwei bedeutungslosen Einzeln am Sonntag, bei denen Haas und Kiefer sich schonen durften, hieß es schließlich 3:2 für die Grande Nation, die den Davis Cup bereits neun Mal (zuletzt 2001 in Australien) gewonnen hat und im April gegen Russland um den Einzug ins Halbfinale spielt.
Die Deutschen müssen dagegen fünf Monate nach dem Aufstieg nun sogar den direkten Wiederabstieg befürchten. Alle Verlierer betonten in Halle immerhin, es auch weiterhin miteinander versuchen zu wollen. Vom 22. bis 24. September müssen Haas, Kiefer und Helfer - so es sich niemand anders überlegt -Ê wieder ran.
Dann geht es um den Verbleib in der Eliteklasse. Der Gegner wird erst Mitte April ausgelost. Es könnte einer der anderen sieben Weltgruppen-Verlierer dieses Wochenendes sein oder eines der acht besten Teams der zweiten Liga, die die Deutschen erst im vergangenen Jahr unter größten Mühen mit einem knappen 3:2 in Tschechien nach zweijähriger Zugehörigkeit verlassen hatten.
Die Doppel-Entscheidung fiel am Samstag vor 7300 Zuschauern »unpassend« am 40. Geburtstag von Teamchef Patrik Kühnen, der vom Deutschen Tennis-Bund zwei Eintrittskarten für die Rolling Stones geschenkt bekommen hatte. Der bekannteste Song der Alt-Rocker um Mick Jagger (»I can't get no satisfaction«) blieb leider Kühnens Tagesmotto. Völlig unzufrieden verkündete er: »Ich werde mir einen anderen Tag suchen, um zu feiern.«
Seine Spieler hatten den »Chef« nämlich beim Davis Cup-Spektakel nicht belohnt. Doppelspezialist Alexander Waske war im sportlichen Netz-Quartett der schwächste Teilnehmer. Gleich sechs Mal gab der für den TC Blau-Weiß Halle in der Bundesliga spielende Aufschlagexperte am Samstag im Gerry Weber Stadion sein eigenes Service ab.
Das demonstrativ mit aggressiven Gesten auf dem Platz zur Schau gestellte Selbstbewusstsein wurde vom französischen Kapitän Guy Forget schnell als Maske entlarvt. Er machte Waske schnell zur »Zielscheibe«: »Ich habe meinen Spielern immer wieder gesagt: Geht auf ihn, so oft es geht«, sagte der ehemalige Weltklassespieler nach dem Spiel. Da wunderte sich der nicht austrainiert wirkende Deutsche noch immer, wie ihm zuvor mitgespielt worden war: »Ich spiele vier erste Aufschläge ins Feld, alle um die 200 Kilometer herum, und es steht 15:40. Wieviel besser soll ich denn noch servieren?« Waske zog dennoch ein Fazit: »Natürlich sind wir sehr enttäuscht, aber wir sind an einer wahnsinnig großen Nation gescheitert.«
Haas, der nach dem Doppel mit leerem Blick vor die Presse trat, fand nicht so viele Worte: »Wir haben die big points nicht gemacht.« Das hatte er bereits nach seinem ersten Einzel mitgeteilt.

Artikel vom 13.02.2006