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Muslime protestieren weiter, Bundestag verurteilt Gewalt

Im Streit um die Mohammed-Karikaturen ist kein Ende in Sicht

Berlin/Gaza-Stadt/Kuala Lumpur/Colombo (Reuters/dpa). Nach den Freitagsgebeten ist es in der moslemischen Welt wieder zu Massenprotesten und Anschlagsdrohungen wegen der Mohammed-Karikaturen gekommen. Die radikale Palästinenser-Gruppe Islamischer Dschihad kündigte Anschläge auf Staaten an, in denen die Zeichnungen weiter veröffentlicht werden. In mehreren Ländern skandierten zehntausende Menschen europafeindliche Parolen.
200 Muslime sprachen sich am Freitag in der Kieler Innenstadt gegen die Verunglimpfung des Propheten Mohammed und für einen friedlichen Dialog der Kulturen aus.Foto: dpa

Der Bundestag hat unterdessen zum friedlichen Miteinander der Kulturen aufgerufen. »Wenn wir als Deutscher Bundestag einen Beitrag zur Deeskalation leisten wollen, dann ist das nun die Stunde des Dialogs«, sagte Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn in einer von seiner Partei beantragten Aktuellen Stunde. Redner aller Parteien verurteilten die Ausschreitungen in mehreren muslimischen Ländern. Gelobt wurde das Verhalten der in Deutschland lebenden Muslime. Der Karikaturenstreit und die Lage im Nahen Osten waren auch Thema eines Telefonats von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und US-Präsident Georg W. Bush. EU-Chefdiplomat Javier Solana will sich nächste Woche in mehreren islamischen Staaten um eine Entschärfung der Krise bemühen.
In allen großen Städten Pakistans gingen tausende Muslime auf die Straße. Pakistans Gesundheitsminister Nasir Khan kündigte an, die Einfuhr von Medikamenten aus jenen europäischen Ländern zu verbieten, in denen die umstrittenen Karikaturen erschienen sind. In Indiens Hauptstadt Neu Delhi protestierten 3000 Muslime gegen die Karikaturen. Auch im Gaza-Streifen beteiligten sich erneut Tausende an Demonstrationen. In Kairo wurde die Zahl der Demonstranten auf 3000 geschätzt. Auch in der afghanischen Hauptstadt Kabul versammelten sich mehrere hundert Menschen nach dem Freitagsgebet zu Protesten.
Der Chefredakteur der dänischen Zeitung »Jyllands-Posten«, die mit dem Abdruck der Zeichnungen die Welle teils gewalttätiger Proteste ausgelöst hatte, kündigte Zurückhaltung seines Blattes an. »Jyllands-Posten« werde »nichts unternehmen, wodurch neues Benzin ins Feuer gegossen wird«, schrieb Chefredakteur Carsten Just in einem Brief an die Leser. Juste hatte am Donnerstag seinen Kulturchef Flemming Rose in einen unbefristeten Zwangsurlaub geschickt, nachdem dieser den Abdruck von geplanten iranischen Holocaust-Karikaturen angekündigt hatte.
Die norwegischen Zeitschrift »Magazinet« entschuldigte sich für die Wiedergabe der umstrittenen dänischen Karikaturen. Chefredakteur Vebjørn Selbekk sagte, er bedaure, dass er die »verletzende Wirkung« der Zeichnungen nicht vorher erkannt habe. Selbekk erhielt seit der Veröffentlichung am 10. Januar nach eigenen Angaben mehr als 40 Morddrohungen.
In Malaysia, das derzeit den Vorsitz der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) hat, forderte Regierungschef Abdullah Ahmad Badawi auf einer Konferenz islamischer Gelehrter von der muslimischen wie auch von der westlichen Welt, Extremisten im Zaum zu halten. Während in westlichen Gesellschaften Verteufelungen des Islam und Schmähungen gegen Muslime weit verbreitet seien, müssten Muslime ihrerseits damit aufhören Christen, Juden und den Westen zu brandmarken, sagte der Ministerpräsident.

Artikel vom 11.02.2006