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Ver.di weitet Streiks aus

94,5 Prozent Ja-Stimmen - Arbeitskampf in neun Bundesländern

Berlin (dpa/Reuters). Die Streiks im Öffentlichen Dienst weiten sich aus. Von Montag an werden voraussichtlich etwa 20 000 Landesbedienstete in den Streik treten. Das kündigte der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske am Freitag in Berlin an.
Betroffen sind von dem größten Streik seit 1992 vor allem Uni-Kliniken, Straßenmeistereien und einige Landesbetriebe in Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Bayern und dem Saarland. In einer Urabstimmung von ver.di hatten 94,5 Prozent der Beschäftigten für den Streik votiert. »Das Ergebnis ist sehr klar, sehr eindeutig für Streik«, betonte Bsirske. Ähnliche Ergebnisse gebe es auch bei den Urabstimmungen in den kommunalen Bereichen.
In den Kommunen Baden-Württembergs wird bereits seit Montag gegen die Verlängerung der Arbeitszeit auf 40 Stunden gestreikt.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) holten sich in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ein ähnlich hohes Votum für einen Streik. Urabstimmungen in weiteren Bundesländern folgen nächste Woche.
In NRW sind die sechs Universitätsklinken des Landes in Aachen, Düsseldorf, Bonn, Essen, Köln und Münster vom Streik betroffen. Die 30 000 Beschäftigten wollen von Montag an gegen längere Arbeitszeiten streiken. Bei einer Urabstimmung hatten 96,6 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder für einen unbefristeten Arbeitskampf gestimmt. Die Gewerkschaft verlangt für die Mitarbeiter der Unikliniken in den Bereichen Pflege, Hauswirtschaft, Technik und Verwaltung die Übernahme des seit Oktober 2005 für die kommunalen Krankenhäuser geltenden Tarifvertrag. Darin ist auch die 38,5-Stunden-Woche festgeschrieben.
Die Stimmung im öffentlichen Dienst ist nach Aussage der Gewerkschaftsvorsitzenden schlecht. Angesichts längerer Arbeitszeiten, der Abstriche und Streichungen beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld dürfe sich niemand wundern, wenn den Beschäftigten der Kragen platze, sagte Bsirske. Er wies den Vorschlag des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger zurück, längere Arbeitszeiten finanziell auszugleichen. Das würde nur die schon hohe Arbeitslosigkeit weiter erhöhen. Oettinger hatte zuvor erklärt: »Ich wäre gerne bereit, ver.di einen Lohnzuschlag zu bezahlen, wenn parallel dazu auch beim Staat und in den Kommunen die 40-Stunden-Woche vereinbart werden könnte.«
Angesichts der geplanten Ausweitung der Streiks forderte der rheinland-pfälzische Finanzminister Gernot Mittler (SPD) eine Rückkehr der Tarifparteien an den Verhandlungstisch. Das für den 20. Februar angesetzte Spitzengespräch müsse vorgezogen werden. Hartmut Möllring (CDU), Vorsitzender der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL), kündigte an, die Länder wollten vorerst keine neuen Angebote unterbreiten.
Eine Einigung gab es am Freitag unterdessen bei den Tarifverhandlungen für den NRW-Einzelhandel. Die 410 000 Beschäftigten erhalten von September an ein Prozent mehr Lohn und Einmalzahlungen von insgesamt 275 Euro. Ein ausgelaufener Tarifvertrag über die Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld wird wieder in Kraft gesetzt. S. 4: Kommentar

Artikel vom 11.02.2006