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Versicherungs-Experte Olav Bogenrieder

»Das ist kein Jahrhundert-Ereignis wie das Hochwasser 2002.«

Leitartikel
Schneechaos in Bayern

Weiße Pracht wird zur weißen Last


Von Wolfgang Schäffer
Die Szenerie erinnert an einen Horrorfilm. Nicht enden wollende Schneefälle sorgen für ein dramatisches Winterchaos: von der Außenwelt abgeschnittene Ortschaften, aufgrund mächtiger Schneewehen entgleiste Züge, Dächer, die unter der tonnenschweren Last der zusammengepressten Flocken zusammenbrechen, Helfer, die in den Tod stürzen.
Doch die Katastrophe ist Wirklichkeit. In Bayern bangen die Menschen vielerorts nicht nur um ihre Häuser, sondern auch um ihr Leben. Meterhoch liegt der Schnee auf Kirchen, Schulen, Hallen und Wohnhäusern, deren Dächer immer wieder nachgeben. Aus der weißen Pracht ist eine bedrohliche weiße Last geworden.
Fast scheint es, als sei das Unglück in der Eishalle von Bad Reichenhall mit 15 Toten so etwas wie ein Startsignal gewesen. Erschreckend die Zahl der Dächer, deren Zusammenbruch bekannt geworden ist. Was anfangs noch ungläubiges Staunen hervorgerufen hat, zwingt nun zum Nachdenken.
Sind die betroffenen Flachdächer alle mit gleichen Mängeln behaftet? Stammen die Bauwerke aus etwa der gleichen Zeit? Halten die Konstruktionen aufgrund der Lebensdauer und der damit verbundenen Wetter- und Umwelteinflüsse dem außergewöhnlichen Druck nicht mehr stand? Ist das Material ermüdet? Oder liegt es tatsächlich an einem außergewöhnlichen Winter, mit besonders viel und auch schwerem Schnee? Die Auswirkungen im Münsterland Ende November waren auf solche Wetter-Extreme zurückzuführen.
Auf der anderen Seite aber sind heftige Wintereinbrüche gerade für die Menschen in den Bergen durchaus nicht ungewöhnlich. 70, 100 oder auch 120 Zentimeter Neuschnee in relativ kurzer Zeit hat es dort schon immer gegeben - auch wenn nun einige Alteingesessene unter dem Eindruck der Katastrophe davon sprechen, sich an einen solchen Wintereinbruch nicht erinnern zu können.
Fest steht, dass dieser Winter alles in allem schon sehr lange mit besonders kalter Hand regiert. Fest steht nach Feststellung von Versicherungsexperten aber auch, dass die Zahl der Dacheinstürze »noch kein außergewöhnliches Ausmaß« angenommen hat. Vielmehr sei die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit nach dem Unglück von Bad Reichenhall größer geworden. Die Menschen reagieren nach solchen Zwischenfällen sehr sensibel auf ähnliche Nachrichten.
Aus dem Schneechaos gleich einen weiteren Hinweis auf die Klimakatastrophe abzuleiten, ist dagegen völlig abwegig. Das zeigt auch die Äußerung eines Klimagutachters vom Deutschen Wetterdienst in Essen. Einig seien sich die meisten Klimatologen, dass die weltweiten Durchschnittstemperaturen in diesem Jahrhundert noch um 1,5 bis sechs Grad ansteigen könnten.
Wohin es in Deutschland gehe, sei indessen noch unklar. »Möglich ist, dass schon in 20 Jahren bei uns Mittelmeerklima herrscht. Solch ein Wandel kann aber auch später einsetzen oder ganz ausbleiben. . .« Alles klar?

Artikel vom 11.02.2006