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Der Zusammenstoß zweier Welten in Romanform

Dr. Steve Gramley empfiehlt T.C. Boyle - Literaturtipp 13

Bielefeld (sas). Erstmals haben Wissenschaftler der Universität in diesem Semester Literaturtipps für Studienanfänger gegeben: Romane, Sachbücher oder Krimis legen sie den Studierenden ans Herz. Wir veröffentlichen einige dieser Empfehlungen - wie die von Dr. Steve Gramley.

Der Amerikaner rät, zu einem Buch von T.C. Boyle zu greifen: »The Tortilla Curtain«. Und weil er an der Fakultät für Lingustik und Literaturwissenschaft Amerikanistik und Anglistik lehrt, empfiehlt er den Roman in der Originalfassung - wenngleich er auch in deutscher Übersetzung vorliegt. Bei Cornelsen gibt es eine englischsprachige Version, die ergänzende Erklärungen und auch die Übersetzung einzelner Vokabeln beinhaltet und das Verständnis erleichtert.
Der Roman erzählt die Geschichte zweier sehr unterschiedlicher Menschen: Delaney Mossbacher ist ein wohlhabender weißer Amerikaner, Candido ein junger, armer Mexikaner, der illegal in den USA lebt, um dort sich und seine Frau durchzubringen. Durch einen Unfall begegnen sie sich in Südkalifornien, fürderhin werden sich ihre Wege immer wieder kreuzen.
Abwechselnd erzählt Boyle aus der Perspektive des Weißen und des Mexikaners - und ihre Perspektiven sind so unterschiedlich, wie ihre Lebensumstände. »Trotzdem kann man sich mit beiden identifizieren. Als Leser haben wir Mitleid mit dem Armen und sehen doch, dass auch er sich falsch verhält«, sagt Steve Gramley. Schwarz-Weiß-Malerei vermeidet Boyle, für einen Roman, würdigt der Amerikanist, sei das Buch sehr differenziert. Und spannend sei es obendrein.
Am Schicksal der beiden Protagonisten werden beispielhaft Konflikte und Probleme der USA deutlich: »Das Thema der undokumentierten Immigranten ist nach wie vor aktuell. Zehn Prozent der mexikanischen Bevölkerung leben heute in den USA, umgekehrt sind 90 Prozent der Latinos, die in den USA leben, aus Mexiko.« Das sei, betont Gramley, für beide Länder ein Wirtschaftsfaktor - man kann nicht ohneeinander -, das birgt aber auch viele Probleme: Denn die illegal Eingewanderten werden ausgebeutet, genießen keinen Schutz und haben keine Krankenversicherung. Wenn Mossbacher und Candido sich begegnen, prallen also zwei Welten aufeinander.
Aktuell liest Steve Gramley vor allem Klausuren. Just beendet hat er ein Buch des griechisch-stämmigen Amerikaners Eugenidis: »The Virgin Suicides«, in dem es um den Tod von fünf Töchtern einer Familie geht. »Es ist ein bisschen pessimistisch. Ich weiß nicht, ob ich es weiterempfehlen würde...«

Artikel vom 10.02.2006