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Regierung verteidigt Rentenplan

Oskar Lafontaine: Rente mit 67 stellt ein Kürzungsprogramm dar

Berlin (dpa/Reuters). Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) hat die Rentenpläne der Bundesregierung als unumgänglich verteidigt. Der Vorschlag für die Rente mit 67 diene langfristig der Stabilität des Systems.

»Wir sind auf dem richtigen Weg«, sagte Müntefering gestern in einer von der Linkspartei beantragten Aktuellen Stunde des Bundestages zur Rente mit 67. Redner der großen Koalition lobten den Minister für seinen Vorstoß. Dagegen kritisierten Sprecher der Linkspartei das Vorhaben als Rentenkürzungsprogramm.
Die Regierung werde die bis zum Jahr 2029 angepeilte Anhebung des Rentenalters auf 67 flankieren mit einer »Initiative 50 plus« zur Verbesserung der Beschäftigungschancen für Ältere, bekräftigte Müntefering. Derzeit sei die Lebensarbeitszeit kürzer denn je - bei einer seit 1960 um sechs bis sieben Jahre verlängerten Rentenbezugszeit. Das am Mittwoch vom Kabinett gebilligte Gesetz gegen Rentenkürzungen nannte er eine »vernünftige Entscheidung«.
Der Fraktionschef der Linkspartei, Oskar Lafontaine, warf der schwarz-roten Koalition vor, mit ihren Rentenplänen gegen die Mehrheit des Volkes zu regieren. Da immer weniger Ältere einen Job hätten, sei die Rente mit 67 nichts anderes als ein Programm zur Rentenkürzung. Immer mehr Mini- und Midijobs hätten das Sozialsystem ruiniert.
Lafontaines Fraktionskollege Klaus Ernst warf der Regierung vor, sie habe die Forderungen der Wirtschaft zur Rente »eins zu eins übernommen«.
Für die FDP kritisierte deren sozialpolitischer Sprecher Heinrich Kolb die Regierungspolitik als widersprüchliche Flickschusterei, bei der nichts zusammenpasse. »Es ist die blanke Not.« Die Sozialexpertin der Grünen, Thea Dückert, bezeichnete die jüngste Debatte bei den Sozialdemokraten um Ausnahmeregelungen für besonders belastete Berufe als »hilflos«. Sie plädierte für verbesserte Berufsminderungsrenten.
Für die SPD sagte Anton Schaaf, es gehe bei den Regierungsplänen um den dauerhaften Erhalt der solidarischen Sicherungssysteme. Der CDU-Abgeordnete Marco Wanderwitz warf der Linkspartei vor, sie versuche bei der Rente »sozialen Unfrieden und Neid« zu schüren.
Millionen Beschäftigten drohen nach einem Bericht der Zeitung »Die Welt« in Zukunft Rentenabschläge, weil in ihren Arbeitsverträgen ein Ende des Beschäftigungsverhältnisses mit Erreichen des 65. Lebensjahres festgeschrieben ist. Diese Regelung gelte für nahezu alle Manteltarifverträge der großen Branchen, heißt es unter Berufung auf Angaben des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.
Der Tarifexperte der Stiftung, Reinhard Bispinck, sagte der Zeitung: »Ohne eine Neuregelung bedeutet dies, dass die betroffenen Arbeitnehmer Rentenabschläge in Kauf nehmen müssen, weil sie mit 65 vorzeitig in Rente gehen müssen.« In den Manteltarifverträgen etwa der Metall- und Elektroindustrie, des öffentlichen Dienstes, des Großhandels, der Banken oder der Druckindustrie stehe eine entsprechende Passage, die das Ausscheiden mit Erreichen des 65. Lebensjahrs festlege. Eine Ausnahme von dieser Regel sei der Tarifvertrag der Chemieindustrie, der klarstellt, dass die gesetzlichen Bestimmungen gelten.
Auch die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer hat sich für eine Reform der Erwerbsminderungsrente ausgesprochen, um Beschäftigten mit Gesundheitsproblemen einen früheren Rentenbeginn zu ermöglichen. Sie trete dafür ein, diese Leistungen »deutlich aufzuwerten, statt beim Rentenalter über Unterschiede nach Berufsgruppen zu diskutieren«, sagte Engelen-Kefer. Der Ruf nach Sonderregelungen für besonders belastete Berufe wie Dachdecker oder Maurer war aus den Reihen der SPD gekommen. Müntefering sprach sich bereits dagegen aus.
Seite 4: Leitartikel

Artikel vom 10.02.2006