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Gemeinde-Vorstand Paul Yuval Adam
Gemeinde-Vorstand Irith Michelsohn

Paul-Gerhardt-Kirche in
Synagoge umwandeln

Jüdische Kultusgemeinde führt Kaufverhandlungen

Bielefeld (mm). Die Jüdische Kultusgemeinde hat mit der Neustädter Mariengemeinde und dem Evangelischen Kirchenkreis Bielefeld offizielle Verhandlungen über den Kauf der Paul-Gerhardt-Kirche aufgenommen. Ziel ist, noch in diesem Jahr zu einem Abschluss über die Umwandlung der Kirche in eine Synagoge zu kommen.

Nachdem bekannt geworden sei, dass die fusionierten evangelischen Kirchengemeinden Neustädter Marien und Paul-Gerhardt das Gemeindezentrum an der Detmolder Straße verkaufen wollten, habe man Kontakt aufgenommen, sagten gestern die Vorstände der jüdischen Gemeinde, Irith Michelsohn und Paul Yuval Adam: »Wir haben nach einer Ortsbesichtigung großes Interesse an dem Objekt.« Räumlich müsse man sich verändern, da die jetzige, seit 1951 genutzte Synagoge in der Stapenhorststraße zu eng geworden sei. Für die Paul-Gerhardt-Kirche sprächen die günstige verkehrliche Anbindung und die zentrale Lage. Das 2 200 Quadratmeter große Grundstück lasse es zudem zu, jüdische Feste auch im Freien zu feiern.
Die Verhandlungen mit dem Kirchenkreis und dem Neustädter Pastor Alfred Menzel verliefen in gutem Klima, sagten Michelsohn und Adam. Einen Kaufpreis wollten die Vorstände nicht nennen. Die Summe wird aber im sechsstelligen Bereich liegen. Um das Objekt finanzieren zu können, hofft man, in das Städtebauförderungsprogramm der Stadt Bielefeld aufgenommen zu werden, an dem sich das Land NRW mit Zuschüssen beteiligt. Gespräche mit dem Oberbürgermeister und den Ratsfraktionen würden in Kürze geführt. Man werde aber auch einen Eigenanteil aufbringen müssen.
Sollte es zum Kauf kommen, würden Veränderungen vorgenommen werden müssen. Der Kirchturm werde - ohne Kreuz und mit veränderter Haube - erhalten bleiben. Im Inneren aber müssten der Altar entfernt und die Voraussetzungen für die Kultusausstattung einer Synagoge geschaffen werden.
Gesprächskontakte zu Mitgliedern der alten Paul-Gerhardt-Gemeinde gibt es nicht. »Wir sehen keinen Bedarf«, sagten Michelsohn und Adam. Zu der massiven Kritik von Paul-Gerhardt-Gemeindegliedern an den Verkaufsabsichten (das WESTFALEN-BLATT berichtete) wollten die Vorstände nicht Stellung nehmen. Dies seien innerkirchliche Probleme. Adam: »Wir haben keinen Einfluss darauf.« Es würden möglicherweise von außen Schwierigkeiten auf die Jüdische Kultusgemeinde zukommen, dies sei aber kein Grund, von den Kaufabsichten Abstand zu nehmen: »Wir sind stets um ein gutes Miteinander von Juden und Nichtjuden in unserer Stadt bemüht.«
Die Gemeinde hat sich vor den Verhandlungen der Unterstützung des Landesverbandes versichert. Die 250 Mitglieder, zum weit überwiegenden Teil jüdische Zuwanderer aus den ehemaligen GUS-Staaten, sprechen sich einstimmig für den Kauf aus. Vorstand und Gemeindevertretung haben ihre Zuversicht in einem Brief an die Mitglieder ausgedrückt: »Wir freuen uns darauf, in absehbarer Zeit für unsere gewachsene Gemeinde neue adäquate Räumlichkeiten zu haben, in denen die Gemeinde als Ganzes ein zu Hause haben wird.«

Artikel vom 10.02.2006