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»Drückt mir bitte alle ganz fest die Daumen, dass ich es schaffe«

Rührender Brief geht zu Herzen: Leukämiekranke Marieke (11) beschreibt ihre Krankheit

Brockum (WB/weh). Das Schicksal der an Leukämie erkrankten Marieke (11) aus Brockum bewegt die Menschen. Jetzt hat Marieke auf ihrer Internetseite einen zu Herzen gehenden Brief geschrieben, den die STEMWEDER ZEITUNG in Ausschnitten veröffentlicht.

»Hallo, mein Name ist Marieke und ich bin elf Jahre. Ich möchte euch heute mal meine Geschichte erzählen. Als ich vier Jahre alt war, kaufte mir mein Opa auf dem Brockumer Markt, das ist auch der Ort, in dem ich wohne, ein Pony. Ich habe dieses Pony »Pedro - Vielfraß« genannt und es ist ein Welsh-Pony. Pedro ist ein ganz zutraulicher, niedlicher Kerl mit einem Stockmass von 111 Zentimetern. Leider kann ich ihn nicht mehr reiten, weil seine kleinen Beinchen mich nicht mehr tragen können. Aber ich habe ihn immer noch lieb und würde ihn auch für kein Geld der Welt hergeben. An manchen Tagen, wenn ich mit meiner Labrador-Hündin »Siska« spazieren gehe, nehme ich auch Pedro mit und wir drei gehen dann quasi Gassi. Ich habe das Glück, dass auch mein Opa ein Pferdenarr ist und so nebenbei eine kleine Hannoveraner-Zucht betreibt. Zur Zeit haben wir somit sieben Pferde.
Mit fünf Jahren trat ich in den Reitverein ein und begann zu voltigieren Doch ich merkte schnell, dass das Reiten mir mehr lag. Also bekam ich meine ersten Reitstunden im Reitverein Oppendorf auf einem Schulpferd namens Samson. Schon bei den ersten Turnieren hatten wir Erfolge. Opa unterstützte mich mächtig und war fortan mein Sponsor und auf der Suche nach einem passenden Kleinpferd für mich.
Wir selber hatten im Frühjahr 2001 ein Stutfohlen bekommen, welches dreijährig in dem Ausbildungsstall Baune-Lamping in Dümmerlohausen zugeritten wurde, um anschließend an einer Stutenschau teilzunehmen. Wera ist ist eine dunkelbraune, schlanke Hannoveraner Stute mit einem ganz lieben Gemüt und irgendwie verstanden wir uns auf Anhieb. Schon die ersten Reitversuche zeigten, dass wir zwei ein Super- Team sind. Ich wechselte in den Reitverein Steinfeld-Mühlen und bekam Privatunterricht im Ausbildungsstall Lamping-Baune, gemeinsam mit meiner neuen Freundin Ann-Kathrin Lamping. Im Frühjahr 2005 begannen wir, uns für alle Turniere in der Umgebung anzumelden. Es sollte in erster Linie ein Trainingsjahr werden, in dem wir, sowie unsere doch noch relativ jungen Pferde, erst einmal Turniererfahrung sammeln wollten. Es wurde sogar ein sehr erfolgreiches Jahr, sowohl für meine Freundin Anne wie auch für mich. Im Sommer machte ich das »bronzene Reitabzeichen« und erwarb somit die Berechtigung, Prüfungen in der A- und E-Dressur zu reiten. Gleichzeitig nahm ich an allen ausgeschriebenen Reiterwettbewerben teil.
Seit dem ist mein Zimmer durch viele Schleifen, Medaillen und sogar drei Pokale geschmückt.
Es machte mir nichts aus, am Wochenende schon teilweise um fünf Uhr aufzustehen, die Pferde fertig zu machen, um dann in meine frisch polierten Turnier- Shepsletten zu schlüpfen. Mein Opa war immer dabei und war oft aufgeregter als ich.
Ende Oktober dann, fühlte ich mich ziemlich schlapp und meine Mutter behauptete, ich sähe aus wie ein »Käse auf Beinen«. Als sich dann auch noch Fieber, Husten, Halsschmerzen und dergleichen einstellten, ging es ab zum Arzt. Eine Angina wurde festgestellt.
Na toll! Genau an dem Wochenende, wo bei uns im Dorf der alljährliche »Brockumer Großmarkt« stattfand. Das ist quasi das Highlight des Jahres bei uns in Brockum und ich lag platt im Bett!!! Nach vier Tagen ging es mir immer noch nicht besser und wir fuhren zum Kinderarzt. Dr. Blömer sah sofort, dass irgendwas mit mir nicht stimmte, diagnostizierte eine Lungenentzündung und bestand darauf, mich für eine Woche stationär im Krankenhaus Damme zu beobachten. Bei der Kontrolle meines Blutbildes kamen ihm einige Zweifel und ich wurde für eine genauere Untersuchung an die Uni-Klinik Münster überwiesen.
Es war der 22. November 2005, an dem man mir mitteilte, ich habe Leukämie. Ich werde diesen Tag niemals vergessen, denn er veränderte mein Leben von der einen auf die andere Sekunde. Wir mussten gleich in der Uni-Klinik bleiben, es folgten unzählige Untersuchungen und schon am übernächsten Tag wurde mit der Chemo-Therapie begonnen. Ich denke an diese ersten Tage und Wochen im Krankenhaus nur sehr ungern zurück. An meinem Bett saß rund um die Uhr meine völlig verheulte Mutter und mir gegenüber lagen Kinder, etwa in meinem Alter, die blass aussahen und alle keine Haare mehr hatten. Ich war mir nicht einmal mehr sicher, wer von Ihnen ein Junge und wer ein Mädchen war. Irgendwie hatte ich Angst vor ihnen und mied jeglichen Kontakt.
Unvorstellbar für mich, dass ich in wenigen Wochen genauso aussehen sollte. Meine Haare waren immer mein Markenzeichen. Ich trug sie meistens als dicken, lang geflochtenen Zopf, der auch schon mal bis zum Po reichte. Außer mit meiner Mutter, die neben mir auf einer Liege schlief, sprach ich mit niemandem. Ich war nur noch traurig und böse auf diese blöde Krankheit, die mein Leben so veränderte und einschränkte. Nach fast drei Wochen im Krankenhaus durfte ich nach Hause und es folgte die ambulante Behandlung. Das heißt, wir fahren fast täglich nach Münster, ich bekomme meine Chemo über den Tropf und darf anschließend nach Hause. Am besten schläft man im eigenen Bett.
Diese Chemo ist ziemlich anstrengend und macht müde und schlapp. Dabei bin ich eigentlich ein richtiges »Draußenkind«, egal bei welchem Wetter, aber daran ist zurzeit leider überhaupt nicht zu denken. Da mein Immunsystem im Moment so geschwächt ist, bin ich sehr anfällig und muss häufig einen Mundschutz tragen. Auch bei dem Kontakt zu meinen Tieren, ich habe nämlich neben meinem Hund und meinen zwei Pferden noch ein Zwergkaninchen und einen Hamster, muss ich sehr vorsichtig sein, denn sie könnten Krankheiten übertragen.
Ich sehe sie also quasi nur noch aus der Ferne. Das ist schon alles sehr doof und an vielen Tagen bin ich sehr, sehr traurig und deprimiert, weil ich einfach nicht verstehe, warum ich diese blöde Krankheit bekommen musste!?
Das Ganze ist ist nun fast zwei Monate her und akzeptieren kann ich die Krankheit leider immer noch nicht, aber ich lerne damit umzugehen.
Manchmal gibt es sogar etwas Positives. So gibt es hier in Münster zum Beispiel den Verein »Herzenswünsche e.V.« Wie der Name schon sagt, versucht dieser Verein, schwer erkrankten Kindern und Jugendlichen einen Herzenswunsch zu erfüllen. Mein Wunsch ist es, einmal die berühmte Dressurreiterin Ulla Salzgeber und ihrem Wallach Rusty zu treffen. Ich habe das ganze auch schon in Worte gefasst und auf Station 15 in den entsprechenden Briefkasten geworfen. Bin echt mal gespannt, ob das klappt.
Wenn ich diesen Brief schreibe, liege ich auch schon wieder in Münster.
Auf meiner Lunge wurde ein Schimmelpilz entdeckt und ich habe eine Schleimhautentzündung. Wie ich schon sagte, bin ich anfällig für jeden kleinen Virus, der durch die Luft wirbelt. Mittlerweile habe ich sogar schon kleine Freundschaften zu anderen betroffenen Kindern geschlossen. Dieses Mal liege ich mit Jasmin auf einem Zimmer. Sie ist 15 Jahre alt und hat Knochenkrebs. Sie war es auch, die mir in den ersten Tagen nach meiner Diagnose Mut gemacht hat, zum Beispiel mit dem Satz: »Du musst jetzt ganz tapfer sein und quasi ein Jahr opfern für dein weiteres Leben. Und das eine Jahr, hängst du dann einfach hinten wieder dran. Dann passt es wieder!«
Recht hat sie! Schließlich habe ich noch soviel vor. Auf alle Fälle will ich im nächsten Jahr wieder reiten können und mein »großes, bronzenes Reitabzeichen« machen. Opa will mir am Haus einen eigenen Reitplatz anlegen und Mama schenkt mir einen kleinen Hund. Also wenn das kein Ansporn ist um durchzuhalten!?
Ich weiß, bis dahin ist es noch ein langer, schmerzvoller Weg, denn ich werde eine Knochen- markstransplantation bekommen, sobald ein passender Spender gefunden wurde. Aber ich weiß: Nach all dem scheint auch für mich wieder die Sonne und Mama sagt immer: »Die Kinder, die das schaffen, die sind stark fürs ganze Leben. Also Kopf hoch, denn nur Fleder-Mäuse lassen sich hängen!«. Drückt mir bitte alle ganz fest die Daumen, dass ich es schaffe!!!
Viele liebe Grüße
Eure Marieke
P.S. Gerne könnt ihr mich auch auf meiner Internet-Seite unter »www.marieke.brockum.de«
besuchen.«

Artikel vom 10.02.2006