09.02.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Uwe Jürgens: Richter machen ihre Arbeit gut.

Kopftuch-Schöffin will
auf das Amt verzichten

Landgerichts-Präsident: Urteile werden nicht kommentiert

Bielefeld (uko). Der Streit um das Kopftuchverbot vor dem Landgericht Bielefeld geht in die nächste Runde. In wenigen Tagen wird eine zuständige Strafkammer entscheiden, ob die türkischstämmige Laienrichterin von der Schöffenliste gestrichen wird. Unterdessen wies Landgerichts-Präsident Uwe Jürgens jegliche Einmischung in die richterlichen Entscheidungen klar zurück.

Wie das WESTFALEN-BLATT berichtete, hatte am 24. ein Prozess gegen einen Heroindealer vor dem Landgericht mit einem Eklat begonnen. Eine türkischstämmige Schöffin weigerte sich, ihr Kopftuch abzunehmen. Die Laienrichterin wurde sofort ausgetauscht. Obendrein hatte Kammervorsitzende Jutta Albert auch bemängelt, dass die Frau, die die deutsche Nationalität besitzt, nur über rudimentäre Deutschkenntnisse verfügt. Einvernehmlich mit Staatsanwaltschaft und Verteidigung hatte Albert den Ausschluss der Frau von der Sitzung mit Zweifel an ihrer Neutralität begründet. Die Richterin hatte vergeblich darum gebeten, zumindest während der Hauptverhandlung die islamische Kopfbedeckung abzunehmen.
Der bisher einmalige Vorgang hatte in den vergangenen zwei Wochen zu massiven Protesten von Kirchen- und Interessenvertretern sowie Politikern geführt. Allenthalben war das Eingreifen des Landgerichts-Präsidenten gefordert worden, um Wiederholungsfälle auszuschließen. Die Christlich-Islamische Arbeitsgemeinschaft hatte die Kammerentscheidung als »Vorabverurteilung« bezeichnet.
Landgerichts-Präsident Uwe Jürgens wies gestern solche Kritik zurück. »Richter sprechen durch ihre Urteile und nicht über ihre Urteile«, stellte er kompromisslos fest. Sofern er sich nur mit einem Wort zu dem Vorgang äußere, greife er »in die richterliche Unabhängigkeit ein«. Jutta Albert und ihre Kollegen hätten »durch ihr Urteil gesprochen«, stellte Jürgens klar. Für die Bestellung von Schöffen gebe es »einen klaren, gesetzlich geregelten Weg«. Der Landgerichtspräsident: »Aus diesen Vorgängen halte ich mich heraus.« Sein Verhalten habe auch »nichts mit Feigheit zu tun«, wies er einige besonders forsche Kritiker zurecht. Grundsätzlich könne er nur sagen, dass »die Kollegen ihre Arbeit machen, und die machen sie gut«.
Derzeit läuft vor der für Verfahren nach dem Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) zuständigen 2. Strafkammer ein Verfahren zur Entpflichtung der türkischstämmigen Schöffin. Dieses Verfahren ist nach dem Ausschluss von dem Prozess obligatorisch auf Antrag von Jutta Albert eingeleitet worden. Die Kammer wird nach einer erneuten mündlichen Anhörung der Schöffin darüber entscheiden. Dem Landgericht liegt nun auch die Aussage des zweiten Schöffen aus dem Prozess vor: Der Mann hat die mangelnden Sprachkenntnisse der Frau mit dem Kopftuch ohne Zweifel bestätigt.
Die Frau hat mittlerweile selbst um ihre Streichung von der Liste gebeten. Kammervorsitzender Dr. Werner Scheck machte gestern indes deutlich, dass dieser Bitte nicht nachgekommen werde. Die gesetzliche Regelung dafür sehe nur eine richterliche Entscheidung vor.

Artikel vom 09.02.2006