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Die Torheit eines Torjägers

Arminia: Von Heesen hofft gegen den VfB Stuttgart auf Sibusiso Zuma

Von Hans Peter Tipp
Mainz (WB). Er schlich als Allerletzter aus der Bielefelder Kabine. Als alle anderen längst weg waren. Ganz langsam, sehr bedächtig, mit tief gesenktem Haupt. Wie ein geprügelter Hund. Und jede seiner Bewegungen in Zeitlupe schien zu sagen: Lasst mich doch in Ruhe. Denn natürlich wusste Torjäger Artur Wichniarek um die Torheit, die er sich in Mainz in letzter Sekunde geleistet hatte.

Wie er beim 1:1 (0:0) des Fußball-Bundesligisten DSC Arminia Bielefeld gegen den Tabellennachbarn FSV Mainz 05 jenen Ball, der ihm wie ein Geschenk des Himmels aus den Händen des FSV-Torwarts Christian Wetklo vor die Füße gefallen war, aus 16 Metern am leeren Tor vorbei schieben konnte, das verlangte geradezu nach einer Erklärung. Der Erfolglose drückte sich zwar nicht um ein paar Worte, wirklich sachdienlich waren seine Hinweise aber nicht: »Das war eine 200-prozentige Chance. Und ich habe sie nicht reingemacht. Das tut mir weh. Und das tut der Mannschaft weh.« Die hielt sich mit Kritik an ihrem Mitspieler in der Öffentlichkeit zurück, intern dürfte jedoch anders gedacht werden.
Kapitän Mathias Hain sagte: »Bei uns wird niemand an den Pranger gestellt. Artur wird sich selber am meisten darüber ärgern. Worüber er aber mal nachdenken und woran er arbeiten sollte, das ist sein Engagement.« Ähnliches klang bei Trainer Thomas von Heesen an: »Es ist eine Sache des Willens, des Weh-tun-Wollens«, sagte sein Coach, der es auch bei der nachträglichen Betrachtung der Fernsehbilder nicht glauben konnte: »Die Mannschaft erwartet, dass sie jemand in so einer Situation belohnt.« Genau dafür hatten die Bielefelder ihren einstigen Torschützenkönig in der Winterpause aus Berlin zurückgeholt, wo er in fünfzig Einsätzen gerade vier Mal jubeln durfte
Aber auch an der neuen alten Wirkungsstätte stellt sich der Erfolg nicht wie gewünscht ein. Vier Pflichtspiele, vier Einsätze, aber kein Treffer - das sagt die Statistik. Und »gefühlt« ist es auch nicht besser: Wichniarek war in allen Partien nicht torgefährlich. Offenbar ist das Selbstvertrauen, die Selbstverständlichkeit, mit der er vor seinem Weggang für Arminia Tore am Fließband erzielt hatte, in Berlin verloren gegangen. Das wiederzuholen, wird seit Dienstag vermutlich noch etwas schwieriger. Ein Treffer bei seinen ersten Einsätzen hätte Wichniarek die Einbindung ins DSC-System sehr erleichtern können, jetzt wird er sich persönliche Erfolge und mannschaftsinterne Akzeptanz wesentlich härter erarbeiten müssen. Ist er dazu bereit, werden ihm bei Arminia und erst recht bei »seinen« Fans in Bielefeld weiterhin alle Türen offen stehen.
Der Platz an der Seite von Isaac Boakye, den von Heesen Wichniarek nach der Winterpause trotz taktischer Abstimmungsprobleme eingeräumt hatte, ist hingegen erst einmal weg. Zuletzt spielten Fatmir Vata oder Ioannis Masmanidis, und seit gestern ist Sibusiso Zuma wieder im Training. »Ich bin froh, dass er uns gegen Stuttgart wahrscheinlich wieder zur Verfügung steht« sagte Thomas von Heesen noch in Mainz. Oben drauf gab es noch ein dickes Kompliment für Isaac Boakye, der mit seinem sehenswerten Volleyschuss die Elfmeterführung der Gastgeber von Mohammed Zidan (50.) ausglich. »Er schießt nicht nur Tore, sondern ackert auch über 90 Minuten. Er braucht nur den richtigen Partner.« Auch das ein Wink an Wichniarek.

Artikel vom 09.02.2006