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Wissenschaft vernetzen

Uni-Bibliothekare planen die virtuelle Fachbücherei

Von Matthias Meyer zur Heyde
Bielefeld (WB). Wer heute einer Suchmaschine ein Stichwirt zum Fraß vorwirft, erhält tausende Internetadressen - und dann geht die Suche erst richtig los. Mit »Google Scholar« sollen zumindest Wissenschaftler bald direkt verwertbare Treffer erzielen können.

Auf dieses Ziel, einen »Paradigmenwechsel in der Suchtechnologie«, arbeiten die knapp 500 Universitätsbibliothekare und Computerspezialisten hin, die bis heute abend auf Einladung der Unibibliothek an der »International Bielefeld Conference« teilnehmen. Sie findet zum achten Mal statt, in der Stadthalle, und gilt als Europas größte Tagung ihrer Art.
1996 begann die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) mit der Digitalisierung wissenschaftlicher Arbeiten, und mittlerweile speisen gewiss 100 weitere Institutionen gedruckte Forschungsergebnisse in elektronische Archive ein. 100 Sammlungen aber heißt 100 verschiedene Zugänge, die nicht verlinkt sind. Folge: Der Wissenschaftler an der Uni weiß nicht, was die Kollegen anderswo erforscht haben, und er muss mühsam recherchieren, wo er Passendes finden könnte.
»Wir wollen nicht weniger als die globale virtuelle Fachbibliothek mit offenem - kostenlosem - Zugang«, sagte gestern Dr. Norbert Lossau. Der Direktor der Bielefelder Universitätsbibliothek weiß, dass dieses Ziel nur im internationalen Verbund zu erreichen ist und veranschlagt für den Kraftakt etwa fünf bis zehn Jahre. Auf dem Bildschirm des suchenden Wissenschaftlers soll dann, fertig zum Ausdruck, die per Schlagwort gezielt gesuchte Seite eines steinalten Buches auftauchen, die Messkurve eines chemischen Experiments oder das medizinische Spezialfoto - Fernleihe und weite Reisen entfallen.
Intelligente Suche steht und fällt mit leistungsfähiger Software. FAST, eine norwegische Firma für Suchmaschinen-Technologie, arbeitet an dem Problem. »Wir können schon 110 Milliarden Dokumente auf Suchplattformen versammeln«, versicherte Mathias Schmitz, FAST-Direktor Deutschland. Das System erkenne den Suchbegriff in seinem textuellen Zusammenhang - »auch vollkommen unstrukturierte Dokumentenmengen sind bereits auswertbar.«
Man befindet sich in der idealistischen Phase; ans Finanzielle - also an die vom leidigen Gezerre um das Copyright bestimmten Geschäftsmodelle - denkt derzeit angeblich nicht einmal Tagungsstar Anurag Acharya. »Wir setzen auf die Evolution des Systems«, sagt der für die Entwicklung von »Google Scholar« zuständige Principal Engineer bei Google. Information sei nicht gleich Information - »bei ihrer Integration ins elektronische System sind unterschiedlich hohe Hürden zu überwinden.«
Unibibliothekschef Lossau wünscht sich eine enge Kooperation mit den Verlagen. »Die DFG wirkt schon seit einiger Zeit auf die Autoren ein, ihre Rechte an elektronischer Verwertung nicht, wie bisher, exklusiv abzutreten.«

Artikel vom 09.02.2006