09.02.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Todesengeln«
auf der Spur

Dokumentation über Morde im Heim

ARD, 23.45 Uhr: Die aktuellen Prozesse laufen noch, doch schon gibt es eine Dokumentation zum Thema: »Die Todesengel - Wenn Pfleger morden«.

»Man denkt ja nicht an Mord«, sagt ein Mann, dessen Stiefvater plötzlich im Krankenhaus starb, obwohl es ihm schon wieder besser ging. Verantwortlich dafür soll der »Todespfleger von Sonthofen« sein, ein 26 Jahre alter Mann, der nun als mutmaßlicher Mörder vor Gericht steht. 29 Menschen soll er zu Tode gespritzt haben, und seine Ausbilder, Kollegen, die Ermittler und auch die Angehörigen der Opfer kommen zu Wort.
Der Film listet eine ganze Reihe von Fällen auf, in denen Menschen in Krankenhäusern und Altenheimen von Pflegern getötet wurden. Und er stellt die Frage, wie es passieren kann, dass Tötungsserien oft so lange unentdeckt bleiben. Dass niemand an Mord denkt, ist ein Grund dafür. »Der Zweifel muss zugelassen, das Unfassbare für möglich gehalten werden« lautet daher ein Fazit des Films von Matthias Franck. Er kritisiert aber auch den fahrlässigen Umgang mit tödlichen Medikamenten, die in Sonthofen nachbestellt worden seien, ohne dass jemand überprüft habe, von wem sie verbraucht wurden.
Die Koproduktion von NDR und BR versucht auch zu ergründen, was in den Tätern vorgeht. Viele sprechen davon, dass sie Mitleid mit Schwerkranken oder Sterbenden gehabt hätten. »Irgendwann hatte ich so eine blöde Spritze in der Hand. Ich habe Luft injiziert«, sagt ein ehemaliger Pfleger, der wegen zehnfachen Totschlags verurteilt wurde. Nach der ersten Tat hoffte er noch, dass es ein »einmaliger Ausrutscher« war. Aber dann wurde die Hemmschwelle immer niedriger. »Es lief quasi völlig automatisiert ab.«
Im Mittelpunkt des Films steht aber der »Todespfleger von Sonthofen«. Laut Anklage soll er seinen Opfern erst ein Narkosemittel und dann einen Atemhemmer gespritzt haben. Da er gestand, 12 Männer und 17 Frauen getötet zu haben, hat kaum noch jemand Hemmungen, ihn auch als Täter darzustellen. Der Film listet die Toten ausdrücklich als Opfer des Angeklagten auf.
»Dass er der Täter ist, davon gehen wir aus«, sagt der zuständige NDR-Redakteur Werner Grave. Dass im Prozess Zweifel an den Geständnissen des Mannes aufkommen oder dass er sie widerrufen könnte, ändert an der Darstellung nichts. Bei allen genannten Opfern sei klar, dass sie getötet wurden, sagt Grave. Dass es noch einen anderen Täter gegeben haben könnte, sei unwahrscheinlich.

Artikel vom 09.02.2006