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Entspannt am Wörthersee
Geschichte und Gesundheit zwischen lieblichen Hügeln - mildes Klima
Seine Ufer säumen keine steilen Felsen, sondern liebliche grüne Hügel. Will man die »richtigen« Alpen sehen, so muss man auf den Pyramidenkogel steigen und den Aussichtsturm erklimmen: Von dort erblickt man den ganzen Wörthersee, aber auch die Karawanken, die Kärnten von Slowenien trennen.
Die sanfte Landschaft mit ihrem milden Klima verspricht geruhsame Ferien. Gab es früher eine regelrechte Wörthersee-Schickeria, die im Casino von Velden das Geld auf den Kopf haute und den Ferrari vor den In-Lokalen von Pörtschach parkte, so ist heute Beschaulichkeit angesagt.
An den Wörthersee fahren heute zumeist Familien mit Kindern, die das warme Badegewässer schätzen. Seniorengruppen kommen per Bus und freuen sich über die gepflegten Uferpromenaden von Klagenfurt, Velden und Pörtschach - und die Büste ihres Lieblings Roy Black, der vor nunmehr 15 Jahren verstarb. Neben Schmusehits wie »Ganz in Weiß« war es vor allen Dingen die TV-Serie »Ein Schloss am Wörthersee«, die den Fans in Erinnerung blieb. Darin spielte der Entertainer einen smarten Hoteldirektor.
Das Schlosshotel indes ist nie Realität geworden. Multimillionär Gunter Sachs, dem es gehörte, konnte sich nicht zu den gewaltigen Investitionen durchringen, derer es bedurft hätte, um das leerstehende Gebäude zu beleben. So diente es dem Fernsehen auch nur als Außenkulisse. Mittlerweile hat Sachs die Immobilie an eine Bank verkauft, nun sollen dort Appartements für die Superreichen entstehen. Der Schlosspark und der schöne Innenhof werden damit wohl auch weiter den Blicken der Öffentlichkeit verborgen bleiben. Der genervte Makler hat bereits am Verkaufsbüro im Erdgeschoss ein Schild anbringen lassen: »Keine Besichtigung, keine Führungen, kein Tourismusbüro«.
Anders verhält es sich in Maria Wörth am Südufer des Sees. Bis 1770 war der Hügel, auf dem zwei Kirchen stehen, eine kleine Insel im See. Die Geschichte von Maria Wörth geht jedoch viel weiter zurück. Im 8. Jahrhundert hatte das bayerische Bistum Freising den Auftrag angenommen, die Region Karantanien vom Joch der Awaren zu befreien. Gemeinsam mit den Slawen gelang dies auch, die Gegend wurde christianisiert - und die Bayern blieben der Einfachheit halber gleich da.
So wurde im 9. Jahrhundert Maria Wörth gegründet und eine Marienkirche auf dem höchsten Plateau der Insel errichtet. Die Bedeutung als geistliches Zentrum wuchs schnell, und so wurde 1155 für die Pfarrgottesdienste eine zweite kleine Kirche, die Rosenkranz- oder Winterkirche, errichtet. Die Pröpste von Maria Wörth hatten in der Kärntner Ständevertretung sogar Sitz und Stimme.
In der kaiserlosen Zeit allerdings wurden die Kirchen von Adeligen geplündert, 1399 gingen beide in Flammen auf. Der Wiederaufbau im gotischen Stil mit barockem Schmuck dauerte lange, doch Freisings Stern am Wörthersee war gesunken, und so gingen die Kirchen in den Besitz des Georgsritterordens von Millstatt über.
Heute versucht sich die Gemeinde Maria Wörth ein neues Image als Gesundheitszentrum zu geben. Zahlreiche Hotels möchten mit Angeboten von Wellness bis hin zur Mayr-Kur neue Gäste anlocken. Zu den konsequentesten Verfechtern dieser neuen Linie gehört Dr. Norbert Schulz im Ortsteil Reifnitz, der dort ein modernes Kurhaus betreibt und sich der Komplementär-Medizin widmet. Die klassische Badekur ist nicht sein Ding, ebenso wenig wie Streichel-Wellness.
Sein Gesundheitshaus am Wörthersee ist Anlaufstation für jene, die abseits der Dogmen von Schulmedizin und alternativer Heilkunde Linderung von Leiden suchen - oder den Weg zu einem gesünderen Leben beschreiten wollen. Weil Schulz den Menschen als Individuum begreift, gibt es bei ihm keine »Wellness-Pakete», »Kompaktkuren« oder »Gesundheits-Pauschalen«. Der Arzt vom Wörthersee plädiert nachhaltig dafür, standardisierte Angebote und Leistungskataloge in möglichst kurzen Zeitabständen kritisch zu hinterfragen. Selbst ein siebentägiger Aufenthalt dort macht schon Sinn, denn die ausführliche Diagnose, die Ruhe des Hauses, das Ausgleichen des Vitamin- und Mineralstoffhaushaltes und das Einleiten einer Kurskorrektur bringen sichtbare Erfolge. »Wir wollen weg von Diäten und ambulanten Standardkuren. Es kommt immer auf das Maß und die individuelle Einstellung an.« So hat Schulz die klassische F.X.-Mayr-Kur weiterentwickelt. Denn mancher gestresste Manager, der mit Burn-out-Syndrom nach Reifnitz kommt, ist gar nicht mehr in der Lage, eine strenge Fastenkur durchzustehen. Die notwendige Entgiftung erreicht Schulz dann mit einer milden Ableitungsdiät - und dem ständigen Hinweis, durch intensives Einspeicheln der Nahrung den Verdauungsprozess zu unterstützen . »Mineralstoffe, der Säuren-Basen-Haushalt, Vitamine - das war zu Mayrs Lebzeiten kein Thema. Aber heute müssen wir das ebenso einbeziehen wie die Psyche, die immer stärkeren Belastungen ausgesetzt ist.«
Waren es früher akute Beschwerden, die die Menschen peinigten, so sind es heute immer mehr Allergien und chronische Erkrankungen. »In Zeiten wachsender Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten und starker beruflicher Anspannung kann sich kaum noch einer für mehrere Wochen der Milch-Semmel-Diät unterziehen«, sagt Schulz. Thomas Albertsen

Artikel vom 11.02.2006