10.02.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Einsprüche im Ruhestand

Stadt lehnt Grundsteuer-Widersprüche rigoros ab - Klage nötig

Von Peter Bollig
Gütersloh (WB). Die Besitzer von Eigenheimen erhalten in diesen Tagen unliebsame Post von der Stadt: die Grundsteuerbescheide für 2006 werden zugestellt. Von vielen allerdings wird der Bescheid in diesem Jahr nicht einfach hingenommen - ein Verfahren in Karlsruhe hat eine Welle an Widersprüchen ausgelöst.

Allein beim Finanzamt Gütersloh, zuständig für die Dalkestadt sowie den Altkreis Halle und Harsewinkel, sind bislang rund 4000 Einsprüche eingegangen. Und täglich werden es mehr.
Hintergrund ist eine Verfassungsbeschwerde, die im vergangenen August beim Bundesverfassungsgericht eingereicht wurde: Zwei Hauseigentümer halten die Besteuerung von Grundeigentum, das zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird, für verfassungswidrig. Die Entscheidung des Gerichtes steht noch aus. Andere Grundstückseigentümer wollen durch ihren Widerspruch sicherstellen, dass ihnen die Grundsteuer rückwirkend bis zum Tag ihres Widerspruchs zurückerstattet wird, falls das Gericht den beiden Beschwerdeführern in einigen Wochen oder Monaten Recht gibt.
Weil der Grundsteuerbescheid von der Stadt Gütersloh erlassen wird, kann der Widerspruch des Empfängers auch gegen die Stadt gerichtet werden. Es seien mittlerweile 400 Widersprüche eingegangen, bestätigt Kämmerer Dr. Klaus Wigginghaus. Ihm wäre es allerdings lieber, die Bürger würden ihren Widerspruch gegen das Finanzamt richten, denn das lege die Bemessungsgrundlage, also die Höhe des Betrages, fest. Die Stadt gebe diesen Betrag nur an den Bürger weiter.
Im Finanzamt Gütersloh herrscht angesichts des wachsenden Aktenberges keine Begeisterung über die Flut an Einwendungen. Trotzdem hat das Amt sogar ein Musterformular entworfen, mit dem die Bürger ihren Einspruch einlegen können. Um sich dadurch Arbeit zu ersparen, wie der Vorsteher des Gütersloher Finanzamtes, Thomas Hartmann, deutlich macht. Denn die Finanzbehörde empfiehlt darin, das Einspruchsverfahren ruhen zu lassen, bis das Verfassungsgericht entschieden hat. Die Folge: Die Behörde muss den Einspruch vorerst nicht weiter bearbeiten und kann die Entscheidung abwarten.
Das hat auch einen Vorteil für den Bürger. Denn wenn die Behörde den Einspruch bearbeiten und ablehnen würde, müsste der betroffene Bürger klagen, um weiter gegen die Steuer vorgehen zu können. Diesen Weg geht die Stadt Gütersloh. Anstatt das Urteil aus Karlsruhe abzuwarten, werden Widersprüche gegen die Grundsteuer im Rathaus sofort abgelehnt und die Adressaten des Steuerbescheids auf den Klageweg verwiesen. Wer bei Stadt oder dem Finanzamt Widerspruch beziehungsweise Einspruch einlegt, muss übrigens trotzdem vorerst seine Steuer bezahlen. Denn das Rechtsmittel hat in diesem Fall keine aufschiebende Wirkung. Erst wenn das Gericht die Steuer als verfassungswidrig einstufen sollte, gäbe es das Geld zurück.

Artikel vom 10.02.2006