04.03.2006
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Die spektakulärste Kunstausstellung zeigt seit gut einer Woche das Van Gogh Museum in guter Nachbarschaft zum Rijksmuseum Amsterdam: »Rembrandt & Caravaggio« bringt erstmals die bedeutendsten Gemälde der beiden berühmtesten Maler des 17. Jahrhunderts zusammen; die Leihgaben aus aller Welt sind bis zum 18. Juni zu sehen.
Natürlich bietet auch das Rijksmuseum selbst als Haus mit der weltweit größten Rembrandt-Sammlung das ganze Jahr über Sonderausstellungen, die dem Betrachter das Werk und den Menschen näher bringen. Wie auch »Het Rembrandthuis«, das Museum in dem Haus, in dem der Meister von Hell und Dunkel, der Radierer und Zeichner seine Glanzzeiten verbrachte. Im komplett zum Anlass renovierten »Koninklijk Theater Carré« feiert am 15. Juli gar »Rembrandt - de Musical« seine Premiere. Auf mindestens eineinhalb Millionen zusätzliche Besucher hoffen die niederländischen Touristiker mit dem Kraftakt zu Ehren des großen Sohnes, für dessen Organisation eigens eine »Stichting Rembrandt 400« (Stiftung Rembrandt 400) geschaffen wurde.
Auf jeden Fall bietet sich die Chance, Rembrandt selbst und seine Zeit, für die niederländischen Handelsstädte und Kaufleute das Goldene Zeitalter, näher, genauer und durchaus auch von weniger glanzvollen Seiten kennenzulernen. Unbekannt ist ja weithin, dass einer der reichsten Künstler jener Tage bankrott im Armenviertel endete. Sein Privatleben hatte weit mehr Tiefs als Hochs: Vier seiner fünf Kinder starben vor ihm, auch verlor er früh seine erste Frau, die geliebte Saskia. Die dritte, Henrickje, mit der er gar nicht verheiratet war, raffte die Pest dahin, und die zweite, Geertje, ließ er im Zwist in eine Anstalt einweisen...
Über die Jahrhunderte wurden van Rijn viel mehr Werke zugeschrieben, als er selbst auf Leinwand gebracht hatte. Auch er selbst ordnete sich wohl großzügig Bilder zu, welche seine geschundenen Schüler am laufenden Band produzierten. Zu den prominentesten späten »Abschreibungen« gehört dabei der berühmte »Mann mit dem Goldhelm« - ein namenlos gebliebener Schüler Rembrandts malte ihn wohl. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts schrieb man Rembrandt mehr als 600 Gemälde zu. Jetzt sind es etwa 300 bis 350. Was seine Leistung natürlich nicht mindert. Aber auch er war eben nur ein Mensch...
Und als solchen hat ihn sich Peter Greenaway vorgeknöpft - selbst Maler, vor allem aber seines opulenten, bizarren und gewöhnungsbedürftigen Filmschaffens (»Der Kontrakt des Zeichners«, »Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber«, »Ein Z und Zwei Nullen«...) wegen international bekannt. Der 1942 geborene Brite, der in London und Amsterdam lebt, hat sein Projekt »Nightwatching« betitelt. Die »theatrale Installation mit Bild und Ton« rund um Rembrandts berühmtestes Werk, »Die Nachtwache«, soll vom 2. Juni bis 6. August zur Attraktion des Sommers im Reichsmuseum gedeihen. Greenaway hat sich die Frage gestellt, warum ausgerechnet nach diesem, seinem krönenden Werk aus dem Jahr 1642, der Stern Rembrandts zu sinken begann. Und er kam zu einer spektakulär-kriminalistischen Interpretation.
»Er war ein Neureicher, ein Müllersohn mit dreckiger Unterwäsche, der sein vieles Geld unter dem Bett versteckte«, spottet der Brite über den Jubilar. Zur feinen Gesellschaft gehörte er nie wirklich dazu: »Ein ungemütlicher Typ, sehr arrogant - aber ein grandioser Maler und alle wussten das.«
Rembrandt war als Porträt- und Historienmaler ein Star. In der »Nachtwache« inszenierte er reiche Kaufleute, in der Mode der Zeit als Soldaten verkleidet. Doch mehr: Mit diesem, einem der berühmtesten Bilder der Welt, deckte Rembrandt in Wirklichkeit eine Verschwörung auf - den Mord an einer bedeutenden Persönlichkeit, glaubt der Regisseur. Das aber hätten ihm die reichen Kaufleute nie verziehen. »Er liebte satirische, ketzerische Anklagen. Deshalb beschlossen Amsterdams Geldsäcke, ihn fertig zu machen«, sagt Greenaway.
1656 war sein Reichtum aufgezehrt, wurde Rembrandt öffentlich für bankrott erklärt, nach seinem Tod am 4. Oktober 1669 in einem Armengrab in der Westerkerk beerdigt.
Aber nicht erst in diesem Jahr 400 nach seiner Geburt spielt das keine Rolle mehr. Rembrandt lebt - und vom Erbe des Mannes, der zuletzt keinen Cent in der Tasche hatte, profitiert heute Hollands halber Kulturbetrieb.
Artikel vom 04.03.2006