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Von Pferdegespannen zur Lkw-Flotte

Sennestädter Speditions-Unternehmen Wahl & Co feiert 75-jähriges Firmenjubiläum

Von Peter Monke
Sennestadt (WB). Es gehört viel Mut und Optimismus dazu, in Zeiten einer Weltwirtschaftskrise ein Unternehmen zu gründen. Karl Wahl und die Gebrüder Heinrich und Hermann Schwentker hatten diesen Mut. Was anno 1931 bereits unter dem Namen Wahl & Co in bescheidenem Rahmen begann, stellt heute Ostwestfalens größte Spedition und deutschlandweit einen der erfolgreichsten mittelständischen Familienbetriebe dar. Grund genug, das 75-jährige Firmenjubiläum ein ganzes Jahr über ausgiebig zu feiern.

Ganz genau weiß heute niemand mehr, wann das Unternehmen gegründet wurde. »Irgendwann im Januar muss es gewesen sein. Der Eintrag ins Handelsregister erfolgte jedoch erst im Sommer 1931«, erzählt der heutige Geschäftsführer Wolfgang Steinmann. Ein wenig sei das Konzept damals aus der Not heraus geboren worden. Die Gebrüder Schwentker hätten ihrem Freund Karl Wahl, wie so viele zu der Zeit arbeitslos, aus der Klemme helfen wollen. Gemeinsam verfügten sie über ein Pferd, mit dem sie an Sonntagen Spazierfahrten unternahmen. Unter der Woche stand das Tier jedoch die meiste Zeit im Stall. Daher das Angebot an Wahl, das Pferd an Werktagen für eine Spedition nutzen zu dürfen.
Wo heute das neue Bielefelder Bahnhofsviertel entstanden ist, befand sich in den 30er-Jahren der erste Standort von Wahl & Co. Schnell wurde das Areal »Am Güterbahnhof« jedoch zu klein und der Betrieb verlagerte seinen Sitz in die Heinrich-Koch-Straße. Hier erfolgte zunächst auch noch der Neuaufbau nach den Zerstörungen während des Zweiten Weltkrieges.
Die stetige Weiterentwicklung der Spedition machte jedoch bereits 1970 einen weiteren Umzug notwendig. Zudem wollte die Stadt Bielefeld das alte Territorium an der Heinrich-Koch-Straße für den geplanten Bau des Ostwestfalen-Dammes nutzen. 23 000 Quadratmeter (qm) Nutzfläche an der Eckendorfer Straße standen fortan zur Verfügung. Die Mitarbeiterzahl wuchs auf 200 Personen und der Fuhrpark des Unternehmens wurde endgültig komplett von Pferdegespannen auf Lastkraftwagen umgestellt. »1965 haben wir das letzte Pferd aus dem Verkehr genommen«, erinnert sich der heutige Senior-Chef Jochen Wahl-Schwentker mit etwas Wehmut in der Stimme.
Gemeinsam mit Erika und Wolfgang Steinmann übernahm er Anfang der 70er-Jahre in zweiter Generation die Verantwortung für das Unternehmen. Dank des größeren Betriebsgeländes konnte sich Wahl & Co in der Folgezeit von einer reinen Kraftwagen-Spedition zum Logistik-Dienstleister weiter entwickeln.
Anfang der 80er-Jahre wurde das Unternehmen durch die immer stärker voranschreitende wirtschaftliche Vereinigung Europas und die damit einhergehende Liberalisierung der europäischen Märkte vor neue Herausforderungen gestellt. »In Bielefeld waren wir zwar stark, groß und bekannt, in Deutschland kannnte man uns dagegen so gut wie gar nicht«, erzählt Steinmann. Ein großes Problem, denn wie zahlreiche mittelständische Wettbewerber musste auch Wahl und Co damals fürchten, von einer großen, überregional operierenden Spedition aufgekauft zu werden.
»Angeklopft wurde bei uns, aber wir haben schließlich einen anderen Weg gewählt«, sagt Steinmann. Gemeinsam mit zehn weiteren mittelständischen Familienbetrieben gründete man einen Verbund namens Unitrans, um sich fortan besser gegen stärkere Mittbewerber behaupten zu können. Weder das bisherige Betriebsgelände noch der Fuhrpark, genügten jedoch den Anforderungen dieser Kooperation. Voraussetzungen für ein hohes Sendungsaufkommen waren großzügige Umschlagmöglichkeiten und ein Fuhrpark mit variabel handhabbaren Wechselbrücken für die Lkw anstelle der bislang vorhandenen festen Aufbauten.
Auf der Suche nach einem geeigneten Gelände landete das Unternehmen schließlich an der Gildemeisterstraße in Sennestadt. Ausschlaggebend für die Wahl war nicht zuletzt die extrem günstige Verkehrsanbindung zur Bahnlinie sowie zu den Autobahnen A2 und A33. Von 1989 an entstanden hier auf 75 000 qm ein Güter-Verteil-Zentrum, ein Verwaltungsbebäude, ein fußbodenbeheiztes Hochregallager mit 12 500 Palettenplätzen und ein Logistik-Zentrum, das sechs Etagen mit jeweils 2500 qm Fläche bietet.
»Jeder unserer Kooperationspartner bei Unitrans holt heute per Fernverkehr die Waren direkt vom Kunden, lagert, kommissioniert oder konfektioniert sie - je nach Wunsch - und bringt die Güter in der gewünschten Zusammensetzung per Nahverkehr direkt zu den Empfängern in seiner Kernregion - für uns ist das der Raum Ostwestfalen-Lippe«, sagt Steinmannn. Gut 100 000 Kilometer legt jeder Lkw dabei pro Jahr zurück.
Seit 2000 trägt mit Jörn Wahl-Schwentker auch ein Mitglied der dritten Generation Verantwortung für Wahl & Co. Derzeit beschäftigt das Unternehmen 250 Mitarbeiter, darunter 20 Auszubildende. Für die nähere Zukunft sieht Steinmann die Spedition gut aufgestellt: »Wir sind der größte Betrieb dieser Art in Ostwestfalen-Lippe und durch ein 2000 geschlossenes Joint Venture mit DHL auch international vertreten.« Motivation, Leistung und Treue der Mitarbeiter, die oft über Jahrzehnte für das Unternehmen tätig sind, seien auch künftig der Garant dafür, anstehende Herausforderungen zu meistern. Damit es noch möglichst lange heißt: »Jeden Ort mit Postleitzahl, erreicht ein Lkw von Wahl.«

Artikel vom 08.02.2006