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Peter Kulka ist einer der geistigen Väter des Universitätsgebäudes.

Auf der Suche nach
dem Stil der Zukunft

»Denkanstöße«: Architekten sprechen in der Kunsthalle

Von Matthias Meyer zur Heyde
Bielefeld (WB). Ängstlicher Rückzug in die Vergangenheit oder ein mutiger Schritt in eine ungewisse Zukunft? Beim Neubau der Gesellschaft von morgen haben die Architekten ein gewichtiges Wörtchen mitzureden. In der Kunsthalle geben sie jetzt wieder »Denkanstöße«.

Zu fünf Gastreferaten führender Baukünstler lädt die Bezirksgruppe Bielefeld-Gütersloh des Bundes deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure (BDB) in den Vortragssaal der Kunsthalle ein. Den Auftakt am Dienstag, 14. Februar, macht um 19 Uhr Peter Kulka (Köln/Dresden), der, kaum mit dem Studium fertig, zum Team der Planer des Bielefelder Universitätsgebäudes gehörte.
Wo möchte der Bürger künftig leben? Auf welches bauliche Umfeld darf er hoffen? Was können die Gestalter der Stadt der Zukunft leisten? Der Bielefelder Architekt Michael Pappert, der die vierte Staffel der »Denkanstöße« organisiert, nennt Beispiele: Er findet es »erschreckend«, dass mehr als 60 Prozent der Bevölkerung den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses wünschen. »Die Angst vor einer als bedrohlich empfundenen Zukunft lässt die Mehrheit zwei Schritte zurück in eine als schön imaginierte Vergangenheit tun«, analysiert Pappert das Empfinden der Laien.
Oder Köln: Müsse der Dom auf ewig die Silhouette der Stadt prägen? Pappert hält manche Positionen in der erregten Debatte, während der sogar der Status des Doms als Weltkulturerbe gefährdet schien, für »rückwärtsgewandt«. Oder die »Lex Kronawitter«, derzufolge in München kein Haus höher als die Frauenkirche in den Himmel ragen dürfe. Schließlich Bielefeld: Beeinträchtigt das am Adenauerplatz emporwachsende 360-Grad-Haus die altehrwürdige Sparrenburg? Was ist vom Doppelpack eines Discounters mit einem Jugendzentrum - siehe Baumheide - zu halten?
»Die Architekten müssen den Menschen zeigen, was möglich ist«, sagt Pappert. »Mit einer vergangenheitsseligen Stildebatte werden wir die Herausforderungen der Zukunft nicht meistern«, prophezeit er. Die Zeit sei überreif für Lösungen der Probleme in Vorstadtghettos und Trabantenstädten. »Mittlerweile beobachten wir, dass die Bürger aus dem Grüngürtel zurück in die Stadt wollen.«
In Bild und Ton, anschließend offen für Diskussionen, wollen die fünf Referenten der »Denkanstöße« die Zukunftsfähigkeit ihrer Projekte beweisen. In ihrer Eigenschaft als Stadtplaner sind sie alle ausgewiesene Spezialisten. Ihre Auftritte in Bielefeld können unter dem Oberbegriff der »innovativen, modernen Architektur« verklammert werden.
Peter Kulka, der in der Tradition des Bauhauses steht, hat den sächsischen Landtag in Dresden gestaltet. Jüngst trat er mit einem »Haus der Stille« hervor, einer Art Herberge auf dem Klostergelände der Mescheder Benediktiner, in deren Mauern sich Gestresste von der Zivilisation erholen.
Thorsten Helbig (14. März) erwarb sich Meriten, als er Renzo Pianos Entwurf des Potsdamer Platzes rettete. »Unbaubar!«, hatten die »Experten« zuvor geunkt. Julia Bolles-Wilson (9. Mai) gestaltet prestigeträchtige Bauten in aller Welt, darunter das beeindruckende Luxor-Theater in Rotterdam. Ihr Entwurf für Bielefelds Neues Bahnhofsviertel dagegen wurde abgelehnt . . .
Sebastian Jehle (12. September), ein Spezialist für belastbare Verwaltungsbauten, machte mit dem gläsernen »Kunst-Kubus« von Stuttgart Schlagzeilen. Dörte Gatermann schließlich (14. November) durfte den wohl singulär bleibenden LVR-Turm verwirklichen, der den Kölner Dom in den Schatten stellt.
Die »Denkanstöße« werden also heiße Eisen anpacken; für Zündstoff scheint gesorgt zu sein. Der Eintritt beträgt jeweils 3,50 Euro; Karten gibt es nur an der Abendkasse.
www.bdb-owl.de

Artikel vom 10.02.2006