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Das Mädel schafft es ins Charakterfach

Die beliebte Film- und Theaterschauspielerin Sonja Ziemann wird heute 80 Jahre alt

Von Jürgen Balthasar
Bad Wiessee (dpa). Mit den Filmen »Schwarzwaldmädel« und »Grün ist die Heide« hat sie die Herzen des Kinopublikums erobert. Die Schauspielerin Sonja Ziemann traf - an der Seite von Rudolf Prack - mit ihrer Mischung aus Naivität, Unkompliziertheit und guter Laune genau den Zuschauergeschmack zu Beginn der 50er Jahre.
Die beliebte Schauspielerin Sonja Ziemann stellt 1998 auf der Frankfurter Buchmesse ihre Autobiographie vor.Fotos: dpa (3), teutopress (1)
Szene aus dem Film »Am Brunnen vor dem Tore« mit Marina Riedl (li.) als Freundin. Sonja Ziemann spielt eine junge Wirtin in der Nachkriegszeit.

Es folgten viele Kino- und Fernsehfilme; bis ins hohe Alter übernahm Sonja Ziemann, die heute 80 Jahre alt wird, auch Theaterrollen. Doch ihr beruflicher Erfolg war begleitet von privaten Schicksalsschlägen. Besonders einschneidend war der Tod ihres einzigen Sohnes Pierre. »Das war der totale Bruch in meinem Leben«, sagt Ziemann. »An allererster Stelle in meinem Inneren steht immer noch mein Kind - Tag für Tag.« Der Sohn stammte aus ihrer ersten Ehe mit dem Strumpffabrikanten Rudolf Hambach. Und gern denkt Ziemann an den Tag von Pierres Geburt. Er kam am 7. Februar 1953 zur Welt, einen Tag vor ihrem eigenen Geburtstag. »Das war das schönste Geburtstagsgeschenk, das schönste Geschenk, der schönste Tag in meinem Leben. Er war das größte und schwerste Kind in der Klinik und ich die schmalste Mutter.« Doch die Ehe zerbricht, Ziemann zieht den Sohn in Berlin allein groß und wird dabei von ihren Eltern unterstützt.
Der Sohn - noch heute sagt Ziemann liebevoll »mein Kleiner« - bekommt einen Rückenmarktumor, muss zwei große Operationen über sich ergehen lassen und stirbt 1970 kurz vor seinem 17. Geburtstag. Ihm hat seine Mutter ihre 1998 erschienene Autobiografie »Ein Morgen gibt es immer« gewidmet. »Ich wollte ihm ein Andenken setzen.« Verwunden hat sie seinen Tod bis heute nicht. »Die Seele lässt sich nicht reparieren.« Nur mit Unterstützung von Freunden und Familie schöpfte sie die Kraft, als Schauspielerin weiterzumachen. Sie sah sich nach eigenen Worten auch in der Pflicht, ihren Eltern einen materiell unbeschwerten Lebensabend zu ermöglichen.
Beruflich hatte Ziemann, die bereits 1950 mit einem »Bambi« ausgezeichnet wurde, sich längst von ihrem mädchenhaften Image gelöst und den Sprung ins Charakterfach geschafft. Sie spielte in anspruchsvolleren Filmen wie »Hunde, wollt ihr ewig leben«, »Strafbataillon 999«, »Menschen im Hotel«, »Nacht fiel über Gotenhafen« oder »Frühstück mit dem Tod« mit und wurde auch in ausländischen Produktionen wie »Geheime Wege« und »Die Brücke von Remagen« eine gefragte Darstellerin. 1984 wurde sie mit dem Filmband in Gold ausgezeichnet.
Ziemann, die in Eichwalde bei Berlin geboren wurde, hatte ihren Bühnenstart als Tänzerin im Berliner Revuetheater »Plaza«. Bald trat sie als Soubrette in Operetten auf, ab 1942 bekam sie in Ufa-Filmen erste Teenagerrollen. Nach ihrem Durchbruch mit »Schwarzwaldmädel« (1950) spielte sie neben Curd Jürgens, Georg Thomalla und vielen anderen Größen des deutschen Films. Bei den Dreharbeiten zu dem polnischen Film »Der achte Wochentag« lernte sie den Autor Marek Hlasko kennen, der ihr in den Westen folgte und den sie 1961 in zweiter Ehe heiratete.
Seit Mitte der 60er Jahre wandte sich die Schauspielerin zu Gunsten von Bühne und Fernsehen zunehmend vom Film ab. Große Theatererfolge feierte sie unter anderem als Eliza in dem Musical »My Fair Lady« und in dem Drama »Endstation Sehnsucht«. Gemeinsam mit Götz George ging sie in dem amerikanischen Erfolgsstück von Tennessee Williams auf eine Europa-Tournee.
Auch die zweite Ehe scheiterte. Heimlich ließ sich das Paar in den USA scheiden - um ihrem todkranken Sohn entsprechende Zeitungsberichte zu ersparen, wie Ziemann sagt. 1969 starb Ex-Ehegatte Hlasko an einer Schlaftablettenüberdosierung. Für Ziemann war es eine erschütternde Nachricht, denn trotz der Trennung hatten sich beide ihre Zuneigung bewahrt. 1989 heiratete die Schauspielerin ihren langjährigen Freund und Kollegen Charles Regnier, den sie aus frühen Tagen am Schauspielhaus in Zürich kannte. Zwölf Jahre später hieß es wieder Abschied nehmen. Im September 2001 starb Regnier an den Folgen eines Schlaganfalls.
Ziemann lebt heute zurückgezogen im oberbayerischen Bad Wiessee oder in München. Sie erwägt einen Umzug zurück nach Berlin. »Aber da bin ich noch unschlüssig.« Denn Bayern ist mit vielen Erinnerungen an Charles Regnier verbunden - hier hatten sie glückliche Zeiten, hier ist er auch gestorben. »Charles war meine große Liebe.«

Artikel vom 08.02.2006