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Bielefeld und das Beispiel Braunschweig

Wie der Weg aus der Krise gelingen kann


Von Michael Schläger
Bielefeld/Braunschweig (WB). Braunschweig teilt das Schicksal Bielefelds: Es gilt gemeinhin als eher unscheinbare Großstadt. Doch jetzt ist die Stadt Heinrichs des Löwen bundesweit in die Schlagzeilen geraten. Als eine Kommune, die es geschafft hat, aus der Haushaltsfalle auszubrechen. »Braunschweig macht wieder Gewinn«, hieß eine der Überschriften, die auch Bielefelder Kommunalpolitiker aufhorchen ließen.
Noch im Jahr 2001 hatte die 240 000-Einwohner-Stadt 468,7 Millionen Euro Schulden. Davon waren 330 Millionen langfristige Kredite. Die Stadt hatte zudem ihren »Dispo« um 138,4 Millionen überzogen. Eine schwarz-gelbe Rathaus-Koalition und Oberbürgermeister Dr. Gert Hoffmann (CDU) machten sich ans Werk, das zu ändern. Die Stadt betrieb eine konsequente Privatisierungspolitik, bei der sie selbst vor den Ampelanlagen nicht Halt machte
Mit Erfolg. Heute verfügt Braunschweig wieder über eine freie Spitze. »Das ist kein Torjäger für den Zweitligisten Eintracht«, ließ die »Braunschweiger Zeitung« ihre Leser wissen. Es ist der Betrag, der bei der Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben im Verwaltungshaushalt übrig bleibt. Immerhin eine Million im vergangenen Jahr. Das Geld konnte an den Vermögenshaushalt weitergegeben werden, über den eine Stadt ihre Investitionen finanziert. Und Investitionen sind nach mageren Jahren in Braunschweig wieder angelaufen.
Bielefeld, mit gut 330 000 Einwohnern deutlich größer als Braunschweig, muss sich allein in diesem Jahr mit einem Fehlbetrag von nahezu 66 Millionen Euro bei den laufenden Ausgaben herumschlagen. Bis 2010 wird die Stadt ihren »Dispo« sogar um fast 400 Millionen überzogen haben. Und dazu kommen noch die Langfristschulden von mehr als 600 Millionen Euro.
»Braunschweig zeigt, dass es richtig ist, wenn sich eine Stadt auf ihre Kernaufgaben konzentriert«, sagt Johannes Delius, Vorsitzender der Bürgergemeinschaft für Bielefeld. Otto Sauer, FDP-Sprecher im Rat, hatte bei der Debatte um die Umwandlung des Umweltbetriebs in eine Anstalt öffentlichen Rechts vehement für den Teilverkauf des UWB gestritten - und Braunschweig als Beispiel angeführt.
Dort wurde die Stadtentwässerung privatisiert, ein Erlös von 238 Millionen Euro erzielt. Geld, das in die Schuldentilgung fließen kann.
Auch in Offenbach habe man vor einigen Jahren schon einmal versucht, über konsequente Privatisierungen den Etat zu sanieren. »Das Modell scheiterte«, sagt Klaus Rees, finanzpolitischer Sprecher der Bielefelder Grünen. Wer alles Tafelsilber verkaufe, habe auch keine Einflussmöglichkeiten mehr, meint Rees zum Vorgehen in Braunschweig. Er fürchtet, dass dort eines Tages die Bürger die Zeche zahlen müssten, etwa in Form höherer Gebühren.
Inzwischen zollen aber auch die anfangs kritischen Sozialdemokraten dem Braunschweiger Modell Respekt. Das SPD-Fachorgan für Kommunalpolitiker, »Demokratische Gemeinde«, veröffentlichte eine Lobeshymne auf den Sanierungskurs in der zweitgrößten niedersächsischen Stadt. Der Titel: »In Braunschweig bleiben die Lichter an.«

Artikel vom 08.02.2006