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Schutztruppe angegriffen

Vier Demonstranten sterben - Dänemark ruft zum Dialog auf

Kabul/Teheran (dpa). Kein Abflauen der Proteste: Auch gestern sind wegen der Mohammed-Karikaturen wieder Zehntausende Muslime in mehreren Ländern auf die Straße gezogen. Bei einem Angriff von Demonstranten auf ein Lager der Afghanistan-Schutztruppe (ISAF) kamen vier aufgebrachte Muslime ums Leben.

Damit sind bei Protesten gegen die von Muslimen als Gotteslästerung empfundenen Zeichnungen bislang mindestens acht Menschen ums Leben gekommen. Auch in Ägypten, Jemen, Iran und Pakistan gingen erneut zehntausende Muslime auf die Straße.
Die radikal-islamischen Taliban, die zum Heiligen Krieg gegen Dänen aufriefen, wollten ein norwegisches Soldatenlager im Nordwesten des Landes stürmen. Nach Angaben des norwegischen Einsatzstabes setzten die Soldaten Tränengas und Gummigeschosse ein, um die 300 Demonstranten zurückzudrängen. Einige norwegische Soldaten seien leicht verletzt worden. Jagdflugzeuge flogen im Tiefflug über das Gelände, um die Menge abzuschrecken. Norwegens Verteidigungsministerin Anne-Grete Strøm-Erichsen sprach von einer »sehr ernsten« Lage.
Insgesamt demonstrierten gestern mehrere tausend Afghanen gegen die zuerst in Dänemark erschienenen Karikaturen. Taliban-Sprecher Kari Jussif Ahmadi sagte, die Rebellen würden wegen der Veröffentlichung der Karikaturen besonders dänische Soldaten ins Visier nehmen. Dänemark stellt 160, Norwegen mehr als 500 Soldaten der ISAF. Die Bundeswehr hat gut 2000 Soldaten am Hindukusch stationiert.
Dänemarks Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen richtete einen Appell zum Dialog an Muslime in aller Welt. Rasmussen sagte in Kopenhagen, die Brandanschläge auf Botschaften in den vergangen Tagen hätten gezeigt, dass es hier nicht um einen Konflikt zwischen Dänemark und der islamischen Welt gehe. »Dieser Konflikt hat sich von einem Streit um die Zeichnungen zu einer internationalen Krise entwickelt.«
Dänemark hoffe, dass diese durch »eine gemeinsame Anstrengung der internationalen Gemeinschaft gelöst werden kann«. Die Zeitung »Jyllands-Posten« habe sich bei Muslimen für die Verletzung religiöser Gefühle entschuldigt.
Auch vor der dänischen Botschaft in Teheran kam es wie am Vortag wieder zu Protesten. Als Reaktion auf die umstrittenen Zeichnungen plant die große iranische Zeitung »Hamschahri« nun einen »internationalen Karikaturen-Wettbewerb zum Holocaust«. Das geistliche Oberhaupt des Landes, Ajatollah Ali Chamenei, warf dem Westen vor, er messe mit zweierlei Maß. Wenn es um die Mohammed-Karikaturen gehe, dann werde die Pressefreiheit verteidigt, aber »wie kommt es, dass die Pressefreiheit nicht respektiert wird, wenn es um das Abstreiten oder auch nur Zweifel an der Saga des Holocausts geht«.
Zwei Tage nach dem Mord an einem italienischen Priester in der Türkei ist der mutmaßliche Täter gefasst. Ein 16-jähriger Schüler soll die Tat gestanden haben. Der türkische Sender NTV berichtete, der Schüler habe unter dem Eindruck der Proteste gegen die Mahommed-Karikaturen gehandelt. Seite 4: Leitartikel/Hintergrund

Artikel vom 08.02.2006