30.03.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Bisheriger Föderalismus ist sehr kostspielig

Parlamente, Regierungen und Verwaltungsbehörden könnten ersatzlos aufgelöst werden


Zu dem Artikel »Der Bund soll helfen«:
Aus gutem Grund hat der Parlamentarische Rat im Mai 1949 dem Unitarismus abgeschworen und dem deutschen Volk mit Artikel 20, Absatz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland die föderalistische Staatsstruktur verordnet. Nie wieder soll eine staatliche Zentralgewalt dem Machtrausch erliegen und mit ihren Befugnissen Schindluder treiben können, wie es in den Jahren zwischen 1933 und 1945 geschah.
Seit dem Jahr 1945 hat sich die Welt aber verändert. Deutschland ist nicht mehr der souveräne Staat, der es einmal war. Fest eingebunden in die Völkergemeinschaft der Vereinten Nationen und der Europäischen Gemeinschaft hat unser Land wie auch andere auf wesentliche Teile seiner politischen den rechtlichen Selbstbestimmung verzichtet.
Der Föderalismus hat sich damit zwar nicht überlebt, ihm kommt aber längst nicht mehr die Bedeutung zu wie einst nach dem zweiten Weltkrieg. Das haben unsere Volksvertreter in Bund und Ländern jedoch offenbar noch nicht bemerkt. Sie parlieren oft und öffentlichkeitswirksam über eine Föderalismusreform, meinen damit aber nur eine Neuregelung der Befugnisse und des Gerangels um die Staatsfinanzen. Über Geldsparen und eine nach Artikel 20 des Grundgesetzes mögliche Neuordnung der Länder denken sie nicht nach.
Ist es heutzutage zur Verhinderung solcher Verhältnisse wie zwischen 1933 und 1945 wirklich noch nötig, Bundesdeutschland in 16 Länder mit 16 Parlamenten und 16 Landesregierungen nebst entsprechendem Verwaltungsunterbau zu untergliedern? Ein so praktizierter Föderalismus ist sehr kostspielig - und steht sich obendrein, wie die jüngste Vergangenheit zeigt, weitgehend selbst im Weg. Das hat das wirtschaftlich gar nicht existenzfähige Land Bremen, mit gut 600 000 Einwohnern gerade mal so groß wie Dortmund, nun endlich eingesehen: Es ist insolvent. Statt sich nun aber zu überlegen, ob es sich besser in das Land Niedersachsen eingliedern sollte, fällt ihm nichts Besseres ein, als vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen mit dem Ziel, den Bund zur Unterhaltszahlung zu zwingen.
Bremen ist die Spitze des Eisbergs. Berlin ist der nächste Kandidat. In 16 Länderparlamenten und einem Bundesparlament werden insgesamt etwa 3500 Parlamentarier auf Kosten der klammen Staatskassen verköstigt, jeder von ihnen mit etwa 10 000 Euro im Monat, Nebenkosten nicht mitgerechnet. Wollen unsere Volksvertreter nicht wahrhaben, dass die Abteilungen Gesetzgebung und Verwaltung in der Firma Staat viel zu kostspielig produzieren? Etliche Parlamente, Regierungen und Verwaltungsoberbehörden könnten ersatzlos aufgelöst werden.
Dass sich unsere Politiker an dieses heiße Eisen nicht heranwagen, ist aus deren Sicht zwar gut nachvollziehbar, sollte das souveräne Volk aber nicht daran hindern, dies nachdrücklich einzufordern. Es ist dem Wählvervolk nicht zu vermitteln, dass im Land Nordrhein-Westfalen mit Rücksicht auf die Landeskasse 1400 Stellen im Polizeidienst gestrichen werden sollen, die Zahl der Parlamentarierstellen im Landtag aber nie und nimmer zur Debatte stand und steht. Folgendes Szenarium drängt sich beim Weiterdenken auf: Bund und Länder sind zahlungsunfähig, Polizeibeamte, Soldaten, Lehrer, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Bundes- und Landesbehörden warten seit Monaten auf ihre Gehälter, während 3500 bis zum letzten Tag alimentierte und gut altersversorgte Politiker das Licht auslöschen. Volksvertreter?
Ein Nachsatz zur Verfassungsmäßigkeit einer Neuordnung der Länder: Bestünde die Bundesrepublik Deutschland aus nur zwei Ländern, wäre sie nach wie vor ein demokratischer, sozialer und föderalistischer Rechtsstaat.
GOTTFRIED SCHLIEBITZ33335 Gütersloh

Artikel vom 30.03.2006