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Nächstes Gericht
gibt Steuer Recht

NOK-Verfahren nicht rechtsstaatlich

Berlin (dpa). Die Stasi-Affäre um den Eiskunstlauf-Trainer Ingo Steuer wird bei den Olympischen Winterspielen in Turin fortgesetzt und für weiteren Wirbel sorgen.

Vier Tage vor der Eröffnungsfeier hat das Berliner Landgericht überraschend den Widerspruch des Nationalen Olympischen Komitess (NOK) abgewiesen und die Einstweilige Verfügung des 39-jährigen Chemnitzers gegen seine Olympia-Ausbootung bestätigt. Damit darf er in der »Palavela«-Halle die Paarlauf-Vizeeuropameister Aljona Sawtschenko/Robin Szolkowy betreuen. »Das ist die beste Lösung für die Sportler. Alles andere werden wir abwarten«, kommentierte Udo Dönsdorf, Sportdirektor der Deutschen Eislauf-Union (DEU), die Entscheidung.
»Ein rechtsstaatliches Verfahren des NOK ist nicht zu erkennen«, begründete der Vorsitzende Richter Wolfgang Krause sein Urteil. Inhaltlich könne das Gericht keine Wertung vornehmen, dennoch betonte der Richter: »Im übrigen ist alles sehr lange her. Das ist alles Geschichte.« Das NOK wird jetzt vor dem Berliner Kammergericht in Berufung gehen.
Der Beschluss des NOK-Präsidiums vom 25. Januar, Steuer wegen seiner früheren Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR nicht für die Turin-Spiele zu berücksichtigen, sei nicht belegt, weil kein Protokoll oder anderes Schriftstück dazu vorgelegt worden sei. »Jeder Beschluss muss zu den Akten genommen werden«, sagte Krause. Was und von wem entschieden wurde, bleibe unklar. »Es ist nicht zu erkennen, dass das NOK eine Ermessensüberprüfung vorgenommen hat«, so der Richter.
Außerdem sei das NOK der Empfehlung der so genannten Unabhängigen Kommission zur Stasi-Überprüfung gefolgt, obwohl deren Sitzung am gleichen Tag nur wenige Stunden vorher stattgefunden habe. »Damit ist signifikant, dass das NOK kritiklos der Stasi-Kommission gefolgt ist«, sagte Krause. Die Anwältinnen Steuers wiesen zudem darauf hin, dass nur zwei der vier Kommissions-Mitglieder bei der Sitzung anwesend waren und ihr Mandant nur eine halbe Stunde gehört wurde.
Das NOK war der Kommissions-Empfehlung nicht nur im Fall Steuer gefolgt. Auch Henry Glaß, Co-Trainer der deutschen Skisprung-Nationalmannschaft, war aus dem Turin-Team wegen seiner Stasi-Mitarbeit gestrichen worden. Steuer, Olympia-Dritter im Paarlauf 1998, wird vorgeworfen, zwischen 1985 und 1989 als »IM Torsten« tätig gewesen zu sein.
Unterdessen setzte Steuer die Olympia-Vorbereitung mit Sawtschenko/Szolkowy fort. Sie trainierten gestern in Chemnitz. Die Anreise nach Turin ist für Donnerstag vorgesehen.

Artikel vom 07.02.2006