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Kriminelle suchen in
Bielefeld Komplizen

Ein höchst unseriöses Jobangebot per E-Mail

Von Jens Heinze
Bielefeld (hz). Die E-Mail aus dem Internet verspricht viel Geld für wenig Arbeit: Schon im ersten Probemonat winken für maximal 16 Arbeitsstunden bis zu 480 Dollar Wochenverdienst. Einzige Voraussetzung, um diesen Spitzenverdienst quasi im Vorbeigehen einzustecken: ein eigenes Konto bei einer Bielefelder Bank oder Sparkasse, um Überweisungen ins Ausland weiterzuleiten.

Doch laut Polizei ist das alles Lug und Trug. Wer diese in fehlerhaftem Deutsch verfasste elektronische Post mit der Überschrift »Gelegenheiten, Geld zu verdienen« erhält, der sollte die Nachricht im Computer gleich wieder löschen, rät Kriminalhauptkommissar Richard Topp von den Ermittlern gegen Computerkriminalität bei der Bielefelder Polizei. Denn statt 480 Dollar in der Woche gebe es nur Ärger mit Staatsanwaltschaft und Kripo. Mit dem Versprechen auf fürstliche Entlohnung versuchten Kriminelle, Komplizen für den Transfer von Beutegeld zu ködern. Hauptkommissar Topp: »Wer also sein Konto für Überweisungen zur Verfügung stellt, macht sich strafbar.«
Den oder die Absender der tausendfach nicht nur in Bielefeld, sondern wohl in ganz Deutschland versandten Mail haben Fahnder Topp und seine Kollegen vom Kriminalkommissariat 25 in Russland ermittelt. Es sei, so Topp, die in immer wieder neue Gewänder gekleidete altbekannte Masche, beim »Phishing« Helfer für den Geldtransfer ins Ausland zu finden. Obwohl das Thema eigentlich allen Internetkundigen längst bekannt sein müsse, fielen immer noch Menschen auf diese unseriösen Werbemails aus Russland herein. »Zwei bis drei solcher Fälle pro Woche werden uns bekannt«, sagt der Hauptkommissar.
»Phishing« bedeutet nichts anderes als das Abräumen fremder Konten beim Online-Banking. Haben die meist in Osteuropa sitzenden Kriminellen erst einmal die Kontozugangsdaten »abgefischt« und fremdes Geld erbeutet, dann wollen sie ihre virtuellen Spuren im Internet verwischen. Dazu suchen sich die Täter in Bielefeld und anderswo willige Helfer, die über ihre Konten das Beutegeld ins Ausland weiterleiten. Nach einem ähnlichen Prinzip läuft auch eine Betrugsserie beim Internetauktionshaus Ebay. Hier zahlen Käufer für (hochwertige) Scheinwaren - die Kaufsummen landen wiederum auf den Konten der deutschen Komplizen, die die Beträge weiter überweisen sollen.
Gegen den Versuch russischer Krimineller, unter anderem in Bielefeld per E-Mail »Finanzagenten« für ihre Betrugsgeschäfte zu werben, kann die Kripo nichts ausrichten. »In den Mails wird nicht offen zu Straftaten aufgerufen. Nirgendwo steht, dass Beutegeld transferiert werden soll«, bedauert Hauptkommissar Topp, dass der Polizei in diesem Punkt die Hände gebunden sind.
Erst wenn der in Bielefeld oder anderswo angeworbene Finanzagent aktiv wird, kann die Kripo einschreiten: Zum einen drohen denjenigen, die ihre Konten für illegale Geldtransfers zur Verfügung stellen, Strafverfahren wegen Beihilfe zum Betrug oder wegen Beihilfe zur Geldwäsche. Zum anderen kann es neben dem Ärger mit Kripo und Staatsanwaltschaft richtig teuer werden: Die Banken der geschädigten Online-Konten-Inhaber fordern das Beutegeld von den »Finanzagenten« zurück, das diese längst an die osteuropäischen Kriminellen überwiesen haben.

Artikel vom 18.02.2006