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Daniel Cohn-Bendit, Grünen-Politiker

»Deutsch zu lernen und sich einzugliedern ist
nicht reaktionär.«

Leitartikel
Wurzeln des Aufruhrs

Daniel macht gründlich kehrt


Von Rolf Dressler
Hüben wie drüben holt das Beschönigungs- und Beschwichtigungsgesäusele der 1980er und 1990er Jahre die Menschheit jetzt erbarmungslos ein.
Die Multikulti-Idee, immer und immer wieder bis zur Selbstzweck-Farce beschworen von Cheftheoretikern und Ideologen, stößt dermaßen unsanft an ihre ganz praktischen Alltagsgrenzen, dass nun sogar ganz hartgesottenen Verfechtern des schönen Scheins die Augen übergehen.
Denn was gerade auch uns Deutschen da so lautstark angepriesen wurde, ist leider alles an- dere als eine Bereicherung. Das gilt für zahllose sogenannte Ehrenmorde und die »Kultur der Rache« mitten in Deutschland ebenso wie für die Zwangsverheiratung ungezählter junger Mädchen, die von ihren Vätern zwischen zwei gänzlich verschiedenartigen Kulturkreisen hin- und hergeworfen werden, als wären sie eine beliebige Handelsware.
Was sich auf diesem Dunkelfeld zuträgt, muss jedem den Atem verschlagen, der sich dem Grundgebot der Menschenwürde für je- dermann und demokratischem Recht fest verpflichtet fühlt. Völlig unerträglich ist deshalb dieser traurige Tatbestand: Viele, viele moslemische Eltern verweigern ihren Kindern vorsätzlich den alles entscheidenden Zugangsschlüssel zu dem wichtigsten unserer geschichtlich gewachsenen Kulturinstrumente, der Beherrschung der Landessprache. Ohne sie aber kann man sich nach jeder Menschenerfahrung niemals wirklich fundiert mit den Einheimischen verständigen - noch sich in deren Denkungsweisen und Empfindungswelten hineinversetzen.
Spät, sehr spät vollzog der alt- grüne Ex-Revoluzzer und heutige Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit eine 180-Grad-Wende: Die multikulti-duselige Linke müsse dringlichst Abschied nehmen vom jahrzehntelangen Gutmenschentum des »Sozialarbeiterhaften«. Es sei ein Unding, Zuwanderern einzureden, sie brauchten überhaupt nicht deutsch zu lernen.
Und in jenem denkwürdigen Interview mit der Berliner »taz« rief Cohn-Bendit namentlich an die Adresse von Menschen türkisch-islamischer Herkunft aus: »Ihr könnt hier nicht weiterleben wie in Anatolien. Denn die deutsche Gesellschaft ist eine andere Gesellschaft, mit anderen Regeln.«
Man kann sich ausmalen, welch fatale Wirkungen der offenbar von langer Hand gesteuerte Aufruhr in der islamischen Welt gegen die Mohammed-Karikaturen noch zeitigt. Denn während die Machthaber dort unermessliche Reichtümer anhäufen, halten sie die willfährigen Massen noch immer weithin in Armut und Elend und in unerträglich bescheidenem Bildungsstand.
Warum, das ist leicht zu erraten. Man sichert das eigene Regime, kann das gemeine Volk nach Bedarf aufstacheln, manipulieren - und zugleich Israel, den Amerikanern und dem ganzen »ungläubigen« Westen Tod, Verderben und Vernichtung androhen.
Eine explosive Mischung. Sie wirkt hinüber und herüber.
Unruhige Jahre stehen bevor.

Artikel vom 07.02.2006