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Aufruhr gegen den Westen

l Botschaften angezündet l Institut verwüstetÊl Diplomaten abgezogen

Beirut/Damaskus (dpa). Mit der Stürmung und dem Anzünden skandinavischer Botschaften in Damaskus und Beirut haben sich die Massenproteste gegen dänische Mohammed-Karikaturen am Wochenende erstmals in massiver Gewalt entladen. Im Gaza-Streifen demolierten Palästinenser das deutsche Kulturinstitut.Lodernder Hass: Ein Demonstrant schwenkt eine Fahne vor dem dänischen Konsulat in Beirut, vor dem ein Polizeifahrzeug brennt.

In der libanesischen Hauptstadt Beirut konnten starke Polizei- und Armeekräfte militante Gruppen unter mehr als 20 000 Demonstranten gestern auch mit Tränengas und Wasserwerfern nicht vom Sturm auf Dänemarks Konsulat abhalten. Das Gebäude wurde in Brand gesetzt.
Am Tag zuvor hatten die syrischen Behörden eine stark aufgebrachte Menschenmenge in Damaskus praktisch ungehindert das dänische Botschaftsgebäude stürmen und in Brand setzen lassen. In Flammen gingen auch die im selben Haus untergebrachten Vertretungen Schwedens und Chiles auf. Nachdem Demonstranten ebenfalls ungehindert die sechs Kilometer entfernte Botschaft Norwegens in Brand setzen konnten, stellten sich syrische Polizeikräfte erst in den Weg, als der Demonstrationszug sich den ebenfalls unbesetzten Vertretungen der USA und Frankreichs näherte.
Das dänische Außenministerium stufte die Lage in Beirut nach der Konsulatsstürmung als »außer Kontrolle« ein. Es rief alle Dänen im Libanon auf, ihre Wohnungen nicht zu verlassen, bis eine Ausreisemöglichkeit gefunden sei. Gleichzeitig begann die Evakuierung dänischer und norwegischer Bürger aus Syrien.
In Beirut griffen Demonstranten neben dem dänischen Konsulat auch eine nahe gelegene christliche Kirche und das christliche Wohnviertel Ashrafijeh an.
Aus Protest gegen die Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen in deutschen Zeitungen griffen Palästinenser am Samstag das deutsche Kulturzentrum in der Stadt Gaza an. Dutzende junge Männer und Schüler warfen Steine schlugen Scheiben ein, zertrümmerten Mobiliar und verbrannten eine deutsche Fahne.
Dänemarks Außenminister Per Stig Møller protestierte ebenso wie Schwedens Außenministerin Laila Fraivalds und der norwegische Außenminister Jonas Gahr Støre bei der Regierung in Syrien gegen den ausgebliebenen Schutz diplomatischer Vertretungen.
Der UN-Generalsekretär Kofi Annan versuchte unterdessen, die Wogen zu glätten. Zwar respektiere er die Pressefreiheit, doch er teile auch den Unmut der Muslime, sagte Annan in New York. Er rief die Muslime auf, die Entschuldigung der dänischen Zeitung »Jyllands-Posten« zu akzeptieren, in der die Zeichnungen vor mehr als vier Monaten zuerst erschienen waren.
Iran zog gestern seinen Botschafter aus Kopenhagen ab. Auch Saudi-Arabien, Kuwait, Syrien und Libyen haben ihre Botschafter bis auf weiteres abberufen. Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad ordnete außerdem eine »Überprüfung der Handelsbeziehungen« mit allen Ländern an, in denen die Zeichnungen erschienen seien. Zunächst solle mit Dänemark begonnen werden. Das irakische Verkehrsministerium fror seine Handelsbeziehungen ein. »Wir werden kein Geld mehr zum Wiederaufbau aus Dänemark und Norwegen akzeptieren«, erklärte ein Ministeriumssprecher gestern in Bagdad.
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Artikel vom 06.02.2006