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Nach Untergang
Trauer und Wut

Passagiere nicht über Gefahr informiert

Kairo (dpa). Trauer um die Toten der Schiffskatastrophe, Wut über Fehler der Besatzung, Empörung über die späte Rettungsaktion: Nach dem Fährunglück im Roten Meer mit mehr als 1000 Toten hat gestern in Ägypten die Suche nach den Schuldigen begonnen.
Wie diese Frau warteten verzweifelte Angehörige im Hafen von Safaga. Foto: Reuters

Als Ursache der nächtlichen Tragödie gilt inzwischen ein Feuer. Brisant sind Vorwürfe von Überlebenden, die Mannschaft der »Al Salam Boccaccio 98« habe sich nicht genügend um die Passagiere gekümmert. Stundenlang seien sie in Unwissenheit über die Situation belassen worden - bis es zu spät war. Sehr spät lief auch die Rettungsaktion von Land an: Erst achteinhalb Stunden nachdem die Fähre im ägyptischen Zielhafen Safaga vermisst worden war, wurden Schiffe losgeschickt.
Letzten Angaben zufolge sollen etwa 400 Menschen die Katastrophe überlebt haben. Um die 200 Leichen wurden geborgen. Ein Offizier sagte dem ägyptischen Generalstaatsanwalt, die Besatzung habe zum Löschen des Brandes viel Meerwasser an Bord geholt. Dessen Gewicht habe das Schiff möglicherweise in Schräglage gebracht. Die Fähre soll durch frühere Umbauten instabil geworden sein.
Überlebende berichteten, nach dem Ausbruch des Feuers an Bord der 36 Jahre alten Fähre seien mehr als zehn Stunden bis zum Eintreffen der Rettungskräfte vergangen. Unklar ist das Schicksal des Kapitäns. Passagiere hatten erklärt, er habe als einer der ersten ein Rettungsboot bestiegen. Eine 16 Jahre alte Passagierin aus Saudi-Arabien, die ihre Familie vermisst: »Als klar wurde, dass uns die Besatzung nicht helfen würde, haben wir Schwimmwesten angezogen - Sekunden, bevor die Fähre sank.«
Wie andere Überlebende berichteten, brach der Brand unten im Schiff aus. Die Passagiere liefen auf das oberste Deck und harrten dort vier Stunden aus. Dann begann das Schiff, zur Seite zu kippen. In Panik liefen die Menschen zur anderen Seite, doch die Fähre sank weiter. Verzweifelte Angehörige lieferten sich am Wochenende am Hafen von Safaga gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Polizei. Sie riefen: »Lasst uns die Leichen sehen, damit wir wissen, ob unsere Lieben tot sind oder nicht.«
Das Unglücksschiff war, wie berichtet, in der Nacht zum Freitag auf dem Weg von Dhiba in Saudi-Arabien nach Ägypten untergegangen. An Bord befanden sich 1414 Menschen, darunter 1200 Ägypter und 99 Saudis.

Artikel vom 06.02.2006