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Kein »Freibrief« für
ungezügeltes Trinken

Aber: Ein Glas Wein täglich ist in Ordnung

Von Mareike Stücken
Bielefeld (WB). Ein Glas Rotwein am Abend kann doch nicht schaden. Ganz im Gegenteil, denn Herz und Kreislauf sollen doch vom Alkohol in Gang gebracht werden. Wir alle kennen die Weisheit, dass das regelmäßige Gläschen abends das Geheimnis für ein langes Leben sein soll. Ob sie stimmt, wissen wir nicht, aber Volkes Mund tut bekanntlich Wahrheit kund.

Tatsächlich haben Pathologen herausgefunden, dass die Gefäßwände von Menschen, die regelmäßig Alkohol getrunken haben, vollkommen sauber waren. Durch den Alkohol kann das Blut nicht so schnell gerinnen und das Risiko von Herzerkrankungen wird gesenkt.
Das sollte jedoch kein Freibrief für ungezügeltes Trinken sein. In den meisten Fällen trifft es bei übermäßigem Alkoholkonsum nämlich die Leber. Doch im Prinzip trägt wohl jedes Organ Schaden, wenn es ständig mit Bier, Wein, oder Schnaps konfroniert wird.
Wer mit Alkohol Krankheiten »vorbeugen« will, der sollte sich darüber im Klaren sein, dass er Gefahr läuft, andere Erkrankungen zu fördern. Umstritten ist überdies die Menge an Alkohol, die man täglich -Ê vollkommen ohne Risiko -Êzu sich nehmen kann.
Dr. Klaus Reinhardt, Allgemeinmediziner aus Bielefeld und Vizepräsendent der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hat im Kurz-Interview wichtige Fragen zum Thema Alkohol beantwortet:
Kann man überhaupt davon sprechen, dass Alkohol gesund ist?
Dr. Klaus Reinhardt: So pauschal ist das falsch. Bei bestimmten Arten von Wein zum Bespiel ist anzunehmen, dass sie Stoffe enthalten, die gut für das Herz-Kreislaufsystem sind. Dies ist aber nur wahrscheinlich der Fall. Vor einigen Jahren wurde die Frage eindeutig mit »ja« beantwortet, jetzt wird sie erneut diskutiert. Für Menschen mit Erkrankungen an der Leber ist Alkohol keinesfalls gesund.
Wie viel Alkohol pro Tag ist vertretbar?
Dr. Klaus Reinhardt: Für Männer sind 60 Gramm, das ist ungefähr eine halbe Flasche Wein, und für Frauen 40 Gramm reiner Alkohol täglich vertretbar. Es ist bei diesem Thema allerdings wichtig, zu differenzieren. Für Menschen mit Grunderkrankungen gelten diese Werte natürlich nicht.
Kann man schon bei einem Glas Wein täglich von einer Sucht sprechen?
Dr. Klaus Reinhardt: Nein. In diesem Fall kann man nicht von einer Sucht sprechen.
Raten Sie Ihren Patienten zu einem Glas Wein am Abend?
Dr. Klaus Reinhardt: Ich rate ihnen nicht aktiv dazu. Wenn sie mich ansprechen, gebe ich ihnen die nötigen Informationen und kläre sie auf. Aber ich rege nicht dazu an, Alkohol zu trinken.

Artikel vom 03.03.2006