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Das Wort »Rente« aus
dem Duden streichen

Mindener Stichlinge präsentieren neues Programm

Von Hartmut Horstmann
Minden (WB). Die Rechtschreibreform geht weiter, Oliver Roth hat bereits den Duden für das Jahr 2012. Eine Vokabel fehlt: »Rente.« Auch im 40. Jahr ihres Bestehens legen die »Mindener Stichlinge« ihre kabarettistischen Flossen in die Wunden der Republik.

Bevor die Kleinkünstler mit ihrem neuen Programm auf OWL-Tournee gehen, feierten sie in Minden eine umjubelte Premiere. »40 Jahre Revue passiert« lautet der Titel des kurzweiligen Abends mit 25 Einzeldarbietungen.
In den vier Jahrzehnten sind sich die »Stichlinge« trotz wechselnder Besetzungen treu geblieben. Anders die Wirklichkeit, die sich gewandelt hat. »Was vor 40 Jahren als Satire geschrieben wurde, ist heute bittere Realität«, sagt Oliver Roth, seit zwei Jahren stichelndes Mitglied. Eine kurze Zeit, die indes ausreicht, um den Standardsatz des stets Dampf machenden Regisseurs Birger Hausmann bereits zur Genüge gehört zu haben: »Wenn Ihr den Text bei der nächsten Probe nicht kennt, dann fliegt Ihr 'raus.«
Doch da der hauptberufliche Bewährungshelfer Humor hat, verfliegt der Zorn stets wieder. Zu Recht, denn die Revue offenbart auf sehr eindrucksvolle Art und Weise, welch reichhaltiger Fundus an Kabarett-Nummern in all den Jahren entstanden ist. Das Spektrum reicht vom unterhaltsamen Schenkelklopfer (allerdings die Ausnahme) bis zur schwarz-bösen Satire. Was passiert, wenn sich »Neutrönchen und Plutönchen« zusammentun?, fragten die Kabarettisten im Jahr 1978. Das Resultat sind die Kinder Asche und Staub, so die bittere Antwort.
Die Beiträge können noch heute bestehen, wurden allerdings bei Bedarf aktualisiert. »Flexibel reisen zu Schweinepreisen« heißt der Slogan der Deutschen Bahn, als »dritte Kraft« präsentieren sich vier Männer im Trenchcoat. Mit der Dynamik einer Schnecke, die zudem gerade abbremsen muss, schleppen sie ihre Körper über die Bühne und verkünden die Spaß-Partei-Parole: »Wir sind die neoliberalen Leichen.«
Apropos Leichen: Probleme mit der eigenen Beerdigung hat Wolfgang Freitag, der um der gesunden Ernährung willen auf richtiges Essen verzichtet und nur noch Tabletten und Kapseln zu sich nimmt. Da er jetzt als Sondermüll gelte, so der Kabarettist, sei eine Seebestattung nicht mehr möglich.
Wer nicht nur schwarzen Humor erleben will, wird mit Dieter Fechners Solo-Sketch »Samstagsidylle« bestens bedient - Abenteuer im modernen Supermarkt-Dschungel. Und worüber unterhalten sich Joschka Fischer und Gerhard Schröder, wenn sie sich heute treffen? Klar - ein Kalauer sei den »Stichlingen« erlaubt: »Über Gerds Besuch bei Gasputin.«

Artikel vom 06.02.2006