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Auch Alt-OB Klaus Schwickert trug sich in das Kondolenzbuch ein.

Unersättliche Lust auf Begegnung mit Menschen

Bielefelder SPD richtet Gedenkfeier für Johannes Rau aus

Von Michael Schläger
Bielefeld (WB). Johannes Raus »unersättliche Lust auf die Begegnung mit Menschen« und sein tief verwurzelter Glaube stellten Präses Alfred Buß und die frühere NRW-Schulministerin Gabriele Behler in den Mittelpunkt ihrer Ansprachen. Bei einer Gedenkfeier für den am 27. Januar verstorbenen Alt-Bundespräsidenten, zu der die Bielefelder SPD geladen hatte, kamen am Sonntag etwa 250 Menschen im Großen Ratssaal zusammen.

Unter ihnen befanden sich zahlreiche hiesige Weggefährten des verstorbenen Politikers, der viele Jahre NRW-Ministerpräsident war. Der ehemalige Landtagspräsident Karl-Josef Denzer und die frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Elfriede Eilers trugen sich ebenso in die am Eingang zum Großen Ratssaal ausgelegten Kondolenzbücher ein wie SPD-Bezirksvorsitzender Axel Horstmann und Bürgermeister Horst Grube.
»Rau war ein überzeugter Christ«, sagte Alfred Buß, Präses der Evangelischen Landeskirche von Westfalen. Dies habe ihm den Namen »Bruder Johannes« eingetragen, von manchen liebevoll-anerkennend, von manchen aber auch leicht spöttisch gebraucht. Gerade die SPD propagiere, dass Kirche und Staat zweierlei sein müssten. »Das bedeutet aber nicht, dass Religion im öffentlichen Leben nichts zu suchen hätte«, betonte Buß. Insbesondere der Sozialdemokrat Rau habe gezeigt, »dass die Politik und das Gemeinwesen auf Menschen angewiesen sind, die kein leeres Herz haben.« Ausdrücklich würdigte der Präses Raus Bemühen um die Aussöhnung mit Israel: »Rau konnte dort um Versöhnung bitten, weil er wusste, dass Gott vergeben kann.«
Sehr persönlich waren die Erinnerungen der früheren Schulministerin Gabriele Behler an Johannes Rau. Der habe stets gern Geschichten erzählt. »Die Geschichten über ihn werden nun zur Geschichte.« Sie berichtete von ihrer erste Begegnung mit Johannes Rau 1987 bei einer Trauerfeier für ein junges Mädchen. »Er kam aufgewühlt von der Beisetzung Uwe Barschels zu dieser privaten Beerdigung. Er tröstete durch seine Worte nicht vordergründig, sondern anhaltend.«
Die langjährige politische Weggefährtin erzählte, wie Rau es vermochte, um ihre Arbeitsplätze fürchtenden Stahlarbeitern neue Zuversicht zu geben, wie er im privaten Kreis mit Kindern ausgelassen Mau-Mau spielen konnte, wie er aber auch seine »indirekte Sprache« als Herrschaftstechnik nutzte: »Das erfuhr jeder, der bei ihm in die Schule ging.« Rau habe oft im Hintergrund gewirkt, nicht auf schnelle Schlagzeilen gesetzt. Bildung und Wissenschaft seien ihm wichtig gewesen. »Ihm ging es um Chancengleichheit und Fortschritt mit menschlichem Maß.«

Artikel vom 06.02.2006