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Urgestein des RockMitch Ryder feiert seinen 61. Geburstag mit Fans in Herford
Herford. Rauchig-belegtes Timbre, Sonnenbrille, Minimal-Motorik: Am Samstag, 25. Februar, 20.30 Uhr, gastiert US-Sänger Mitch Ryder im Herforder »Elfenbein«, Bielefelder Straße 57. Ein Rock-Urgestein, das eine besondere Beziehung zu Deutschland hat.
Seit im Oktober 1979 sein berühmtes Vollmond-Konzert aus der Essener Gruga-Halle in die Fernseh-Haushalte der damals noch nach Live-Musik gierenden Nation übertragen wurde, kann er hierzulande auf eine treue Fan-Schar zählen, die seine Rock'n'Roll-Verdienste zu schätzen weiß. In den 60er Jahren konnte der Ausnahme-Vokalist zusammen mit seiner damaligen Band, den »Detroit Wheels«, in den Vereinigten Staaten jede Menge Single-Hits wie »Jenny take a ride« und »Devil with a blue dress on« für sich verbuchen. Typischer Detroit-Sound: so schnell, kompakt und energiegeladen wie die Autos aus der damaligen Kfz-Hauptstadt der Welt.
Die Musik-Prominenz horchte auf: »Rolling Stone« Keith Richard urteilte mit derselben Präzision, mit der er sonst seine Gitarrenriffs exekutiert: »Mitch hat es!« Bruce Springsteen spielte ein Jahrzehnt später in seinen Konzerten oft ein Medley mit Ryders explosiven Sixties-Hits, die stets die Hitparaden stürmten.
Von seinem Umfeld schlecht beraten, wurde William Sherille Levise, Jr. - so sein bürgerlicher Name - zwischenzeitlich mit einer Las Vegas-Bigband verkuppelt: das Kraftpaket als Neil Diamond für Arme! Die Solo-Karriere führte konsequenterweise keineswegs auf der Showtreppe ins Entertainer-Pantheon, sondern endete vielmehr zwischenzeitlich im Rückzug aus dem Musikgeschäft. Ryder bezeichnete seine Auszeit später im Titel seiner Comeback-LP »How I spent my vacation« (1978) ironisch als Urlaub. Doch Ironie und alkoholische Exzesse fanden in seinem Heimatland kaum Anklang - auch in Deutschland polarisierte der Querkopf, doch an seiner Stimme und fantastischen Band kam keiner vorbei.
Eines seiner besten Alben, »Live Talkies«, entstand in Hamburg, Ryder versuchte sich sogar an deutschen Textzeilen und spielte schließlich noch zu DDR-Zeiten im »Palast der Republik«. Aus dem Osten rekrutierte er schließlich auch die Musiker, die ihn seit mehr als einem Jahrzehnt auf seinen Europa-Tourneen begleiten: die hervorragende (Blues-)Rock-Formation »Engerling«: Der Dynamo aus Detroit hat sich damit weiß Gott keine Rumpelrocker mit beschränktem »Bitterfeld Blues«-Horizont angelacht.
Davon zeugt auch das aktuelle, einmal mehr gemeinsam eingespielte Album »The acquitted idiot« (BuschFunk), ein abgeklärt-differenziertes Alterswerk mit Gospel-Untertönen von einer der immer noch interessantesten Stimmen des Rock.
Auch das Vorprogramm kann sich hören lassen: Steve Hunter griff nicht nur bei der kurzlebigen Band »Detroit« für Ryder kräftig in die Saiten, sondern später auch für Lou Reed, Alice Cooper und Peter Gabriel.
Und vielleicht lädt Ryder seine Fans Punkt Mitternacht ja noch zum Mitfeiern ein: Sein 61. Geburtstag steht dann auf dem Tourplan. Klaus Gosmann

Artikel vom 10.02.2006