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Das Wort zum Sonntag

Von Pfarrer Hans-Jürgen Feldmann


Von seinen zwölf Söhnen liebte Jakob einen mehr als alle anderen und bevorzugte ihn auch noch: Joseph, das Kind seiner Lieblingsfrau Rahel. Aus seiner eigenen Jugendzeit hätte er wissen können, damit Unglück zu säen. Aber zu selten werden Menschen aus Erfahrungen klug.
Der junge Joseph selbst, noch ohne viel Menschenkenntnis, schlüpfte nur zu gern in diese Prinzenrolle und spielte sie seinen Brüdern gegenüber recht unüberlegt aus. Damit zog er sich deren tödlichen Haß zu. Bei passender Gelegenheit wollten sie ihn umbringen, entschieden sich dann aber doch für die immerhin humanere Variante, ihn als Sklaven zu verkaufen. Damit meinten sie, ihn los zu sein. Den Vater ließen sie glauben, ein wildes Tier hätte ihn gerissen. Der aber, seines Lieblings beraubt, wandte nun nicht etwa ihnen die entbehrte Liebe zu, sondern blieb lange Jahre ein gebrochener Mann.
Joseph selbst nahm zunächst einen Weg, der einer Achterbahn glich. Zwar war er mit dem Leben davongekommen, geriet dafür aber in die ägyptische Sklaverei. Trotzdem hatte er Glück im Unglück; denn ein hoher Beamter, Potiphar, erwarb ihn und machte ihn, der für alles eine glückliche Hand hatte, schließlich zu seinem bevollmächtigten Verwalter. Das nächste Ungemach allerdings wartete schon in Potiphars Frau. Diese hatte ein Auge auf Joseph geworfen, und als ihr Mann einmal außer Hause war, lud sie ihn zu einem Schäferstündchen ein. Als der dies Angebot aber ausschlug, kehrte sie den Spieß einfach um und behauptete, Joseph hätte sie bedrängt. Daraufhin fand dieser sich im Gefängnis wieder.
In der Josephsgeschichte spielt das Traummotiv eine wichtige Rolle. Träume waren für ihn keine Schäume, sondern er konnte in ihnen lesen und ihrer symbolischen Sprache Wegweisung für die Zukunft entnehmen. Gegenüber einem mitgefangenen ehemaligen königlichen Mundschenk schloß er aus einem Traum auf dessen kurzfristige Rehabilitierung und bat ihn, sich in der Freiheit für ihn, den unschuldig Inhaftierten, zu verwenden.
Das fiel diesem jedoch erst wieder ein, als der Pharao selbst zwei merkwürdige parallele Träume hatte und keiner der Experten im Lande sie zu deuten wußte. Ihr Inhalt: Dem Nil waren sieben fette Kühe entstiegen und danach sieben abgemagerte, welche die wohlgenährten auffraßen. Das gleiche wiederholte sich mit vollen und leeren Ähren. Joseph, nun schleunigst herbeigeholt, konnte in der Tat diese Bilder in die Realität übersetzen: Es stünden sieben Jahre mit reichen Ernten bevor, anschließend aber sieben Dürrejahre. Der König möge daher veranlassen, in der guten Zeit Vorräte für die schlechte anzulegen.
Mit dieser Deutung und diesem klugen Rat sollte Joseph den Zenit seines Lebens erklimmen. Denn ab sofort war er nicht nur wieder auf freiem Fuße, sondern wurde zum Minister ernannt, um diese gewaltige Aufgabe zu organisieren.
Damit sollte sich auch der Kreis zu seiner Familie wieder schließen; denn die Hungersnot hatte an den Grenzen Ägyptens nicht halt gemacht Nach langem Zögern willigte der inzwischen alt gewordene Jakob schließlich ein, daß seine Söhne in Ägypten Getreide kauften. Es kam dabei zu zwei Reisen. Joseph, der sie sofort erkannte, ihnen aber unerkannt geblieben war, versteckte bei diesen Gelegenheiten einmal ihr eigenes Entgelt und dann seinen persönlichen Kelch in ihren Kornsäcken, um sie anschließend zu stellen und des Diebstahls zu bezichtigen. Dann aber gab er sich ihnen unter Tränen als ihr Bruder zu erkennen und ließ auch seinen Vater nach Ägypten holen.
Eine Geschichte mit Happy-end? Das allein wäre zu kurz gegriffen. Sie handelt vielmehr von Gottes Führung im Leben der Menschen. Diese kann sehr verschlungene Wege nehmen und stellenweise als undurchschaubar, unnötig hart und nicht nachvollziehbar erscheinen. Vor allem aber vermag sie an ein Ziel zu kommen, das niemand zu erahnen und für möglich zu halten vermochte. »Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen, ... nämlich am Leben zu erhalten ein großes Volk« (1. Mose/Genesis 50, 20), so lautet das Fazit Josephs, die Kernaussage dieser Erzählung insgesamt (nachzulesen: 1. Mose/Genesis 37-50).

Artikel vom 04.02.2006