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Mädchen gerne
Angst gemacht

Zeugen belasten »Bungee«-Gehilfen

Trier (dpa). Haarsträubendes wussten Zeugen im Prozess um den Todessturz einer 14-Jährigen aus einer »Bungee-Kugel« vom Rummelplatz zu berichten. Dabei wurden gestern grobe Nachlässigkeiten des Schaustellerpersonals bekannt.

Mehrere Kirmesbesucher sagten aus, dass die Männer sie bis zur letzten Sekunde vor dem Abschuss der Kugel absichtlich nicht angeschnallt hätten, um ihnen Angst zu machen. Einer der angeklagten Mitarbeiter bestätigte, dass gelegentlich der Spannvorgang der Bungee-Seile bereits eingeleitet wurde, ohne dass die Fahrgäste gesichert waren.
Nach dem Beginn des Spannvorgangs dauerte es 40 Sekunden, bis die Kugel in Sekundenschnelle in 65 Meter Höhe geschossen wurde. »Wenn wir die Mädels ärgern wollten, haben wir den Bügel erst kurz vor dem Abschuss zugemacht, um ihnen Panik zu machen«, gab der 25-jährige Gehilfe zu. »Spätes Anschnallen gehörte bei uns zum Programm.«
Drei Schausteller und das Betreiberehepaar des Fahrgeschäfts müssen sich (wie berichtet) seit Mittwoch vor dem Trierer Landgericht wegen fahrlässiger Tötung verantworten. Laut Anklage war die Kugel der so genannten Slingshot-Anlage am 10. August 2004 auf der Kirmes in Daun (Eifel) in die Höhe geschossen worden, obwohl die 14-Jährige und ihre 16 Jahre alte Freundin nicht angeschnallt waren. Während sich die Ältere am Gestänge der Kugel festklammern konnte, stürzte die Jüngere in den Tod.
»Es machte ihnen Spaß, Macht über uns zu haben«, sagte eine Zeugin. Als sie gemerkt habe, dass ein Schausteller den Spannvorgang der Seile bereits eingeleitet habe, habe sie versucht, den Bügel selbst zu schließen. Dies sei ihr aber nicht gelungen. Erst nachdem sie den Gehilfen angeschrien habe, habe er den Bügel widerwillig Sekunden vor dem Abschuss geschlossen. Eine andere Zeugin sagte aus, die Männer hätten sie auf plumpe Art angemacht und seien sauer gewesen, als sie nicht reagiert habe. Einer der Männer habe ihr gedroht: »Dann lassen wir dich eben in die Luft fliegen.« Ein weiteres Mädchen berichtete im Gericht, dass die Männer sie minutenlang mit der Kugel gedreht und kopfüber gehalten hätten. »Ich dachte: Das ist das Ende. Das hält keiner aus«, sagte sie.
Nach Ansicht des technischen Sachverständigen ist »ein summiertes Fehlverhalten« des Personals für das tödliche Unglück verantwortlich. Die Mitarbeiter seien mangels vorgeschriebener Schulungen nicht zum Betrieb der Anlage berechtigt gewesen. Zudem hätte der »Slingshot« wegen vorgenommener technischer Veränderungen nicht betrieben werden dürfen. Die Schausteller hatten nachträglich eine Sprinkleranlage, eine Nebelmaschine und ein Videogerät installiert.
Das Urteil soll am 23. Februar gesprochen werden.

Artikel vom 03.02.2006