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»Gold-Rosi« die
Herbergsmutter

Mittermaier freut sich auf Turin

Turin (dpa). Ihre Olympiasiege versetzten Deutschland in einen kaum für möglich gehaltenen Freudentaumel. Auch 30 Jahre danach braucht es für ein Gespräch mit Rosi Mittermaier vor allem eins: Zeit.

Ein Autogramm hier, ein gemeinsames Foto da, dazu immer ein nettes Wort. Die weiterhin ungebrochenen Sympathiebekundungen hängen nicht allein mit dem 8. Februar 1976 zusammen. »Ich erinnere mich noch an alles ganz genau«, sagt Rosi Mittermaier über ihre erste von zwei Goldmedaillen bei den Olympischen Winterspielen 1976 in Innsbruck und lacht in der ihr eigenen unbeschwerten Art.
Es passte zum Leben der damals 25-Jährigen, dass beim Abfahrtsrennen in der Axamer Lizum die Sonne schien. »Es war ein wunderschöner Sonntag. Und die Strecke war auf mich zugeschnitten«, erinnert sich Rosi Mittermaier. Drei Tage nach Gold in der Abfahrt triumphierte die Läuferin von der Winklmoosalm bei Reit im Winkl auch im Slalom. Ein dritter Erfolg im Riesenslalom kam auch wegen der fast an Hysterie grenzenden Verehrung der Massen nicht zu Stande. Weil sie fürchtete, nicht mehr unbehelligt aus dem Zielraum zu entkommen, verzichtete sie auf die Besichtigung des letzten Pistenabschnittes und holte durch einen Fehler auf den letzten Metern »nur« Silber.
Es gab keinen, der ihr die Sternstunden bei ihren dritten Winterspielen nicht gegönnt hätte, denn Rosi Mittermaier hatte sich stets auch über Erfolge ihrer Konkurrentinnen gefreut. »Das ist eigentlich die schönste Erinnerung: Dass wir alle einen unheimlichen Zusammenhalt hatten«, sagt sie.
Rosi Mittermaier war die erste Sportlerin, deren Olympiasiege sich auch finanziell lohnten. Mit Werbeverträgen für Haarspray, Schmuck und Kleider machte sie ihre Popularität zu Geld, vergaß aber auch nie diejenigen, »die nicht so viel Glück in ihrem Leben hatten wie ich«. In ihrer Heimatstadt Garmisch-Partenkirchen engagiert sie sich gemeinsam mit Ehemann Christian Neureuther für die Kinder-Rheuma-Stiftung.
Befragt nach ihrer positiven Lebenseinstellung antwortet sie lächelnd: »Ich muss den Tag doch sowieso durchstehen, da wäre es doch bescheuert, wenn ich anfange mit der Einstellung, der Tag sei fürchterlich.« Frei von Fehlern aber sei auch sie nicht. »Ich bin immer eine gewesen, die unpünktlich war, das muss ich schon sagen«, gesteht die Gesamtweltcupsiegerin von 1976. Richtig wütend wird »Gold-Rosi«, »wenn sich jemand nicht voll und ganz einbringt für eine Sache, wenn das Umgehen miteinander nicht harmonisch ist. Disharmonie ist ganz schrecklich. Neid ist auch eine ganz schlimme Sache«.
Diese Einstellung will sie in Turin auch als Leiterin des olympischen Jugendlagers vermitteln. »Das ist eine Super-Aufgabe. Ich möchte, dass sie Fair Play und Toleranz nach außen tragen.« Die Jugendlichen müssen keine strenge Herbergsmutter Mittermaier befürchten: »Ich bin auch mal öfter über die Stränge geschlagen und länger als die Trainer erlaubten, fortgeblieben.«

Artikel vom 08.02.2006