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Ein Super-Tor mit
Ästhetik-Mängeln

HSV - DSC: Volltreffer von Barbarez

Von Dirk Schuster
Hamburg (WB). Dem Hamburger Piotr Trochowski war sein Bemühen in zweifacher Hinsicht anzumerken. Zunächst auf dem Fußballplatz und später in der Interview-Zone bei dem Erklärungsversuch, wie ihm ein so außergewöhnliches Tor wie das zum 1:1 beim 2:1-Erfolg im Bundesligaspiel gegen Arminia Bielefeld gelingen konnte.
Auf der Jagd: Sergej Barbarez hat es sonst auf Tore abgesehen, hier verfolgt er Rüdiger Kauf. Foto: Stefan Hörttrich
Absicht oder Zufall? Sicher, so Trochowski, sei etwas Glück dabei gewesen, als er in der 51. Minute in Rücklage geratend einen Schuss Richtung Arminia-Tor abgab, der Ball eine physikalisch nicht für möglich gehaltene Flugbahn nahm und sich in den Winkel drehte. Aber Zufall? »Nein«, sagte Trochowski und widersprach damit allen, die hinter dem Torschuss eine gefühlvolle Flanke auf den am zweiten Pfosten lauernden Ailton vermutet hatten. So auch DSC-Torwart Mathias Hain, dem nicht die kleinste Abwehrchance blieb.
Arminias Sportchef Reinhard Saftig brachte das ganze Bielefelder Leid auf den Punkt: »Wir spielen eine perfekte erste Halbzeit, lassen keine Chance zu. Und dann ist Hamburgs erster Schuss aufs Tor nichtmal ein gewollter und geht rein.«
Und als ob die Gäste damit noch nicht genug gestraft gewesen wäre, toppte Sergej Barbarez Trochowskis vermeintliches Tor des Monats mit einem Schuss, dessen Tempo sogar die Geschwindigkeits-Messanlage in der Hamburger AOL Arena überforderte. Blendete die Stadionregie sonst bei jedem Kullerball die Stundenkilometer ein, warteten die Zuschauer vergeblich auf die Tempo-Information des Barbarez-Geschosses. Und was sagte der HSV-Stürmer selbst zu seinem Tor? »Ich wollte ein Mal im Leben Vollspann schießen. Aber eigentlich finde ich Vollspann unästhetisch und unsportlich.«
Unsportlich, das mag auch Mathias Hain gedacht haben, der zwar fix den Arm hochriss, um den Treffer zu verhindern. Doch selbst wenn er an den Ball gekommen wäre, er hätte ihn bestenfalls verlangsamt. Aufgehalten hätte Hain ihn nie und nimmer.
Auf Schüsse eines solchen Kalibers warteten Hamburgs Fans bei Winter-Zukauf Ailton vergeblich, auch wenn Trainer Thomas Doll sagte: »Ich denke, dass er ein gutes Spiel gemacht hat.« Ein Satz, über den es sich noch einmal nachzudenken lohnt. Schließlich ist die einzige Statistik, die dem Brasilianer einen Spitzenwert ausweist, die über die Häufigkeit von Abseitsstellungen.
Am Mittwoch hat Ailton schon die Chance, es in der Bundesliga besser zu machen. Gastgeber des HSV ist dann Hannover 96. »Es ist gut, dass wir direkt weiter spielen. Wir wollen unsere positive Entwicklung weiter ausbauen«, sagte Daniel van Buyten. Positive Entwicklung? Damit konnte der Hamburger Kapitän nichts anderes gemeint haben als das nackte Ergebnis. Denn weder spielerisch noch taktisch war beim HSV gegenüber dem Vorwochen-1:2 in Nürnberg ein Fortschritt zu erkennen. Im Gegenteil: Gegen Bielefeld wurde deutlich, dass die Hanseaten ohne Mittelfeldspieler Rafael van der Vaart (Pause nach Knöchel-OP) und Außenverteidiger Thimothee Atouba (Samstag mit Kamerun beim Afrika-Cup ausgeschieden) nur die Hälfte wert sind.

Artikel vom 06.02.2006