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»Nur das Piepen ist doof!«
Benjamin hat sich ein bisschen im Fitness-Studio für Kinder umgeschaut
Fitness-Studio für Kinder, schon mal gehört? Benjamin schaut erstmal an sich herunter. »Bisschen Winterspeck«, meinte er. Und guckte sich das Treiben mal an.
»Ich bin ein Rennfahrer«, ruft Max. Er lässt die Motoren heulen, die Räder quietschen in der Kurve. Der Sechsjährige liegt - einem Formel 1-Piloten im engen Cockpit nicht unähnlich - auf dem Rücken, zwei orangefarbene Polster über den Schultern. Mit den Händen hält er sich an zwei roten Griffen fest und fixiert das knallbunte Display über seinem Kopf. Immer wenn hier die Lämpchen aufleuchten, dann presst Max mit den Füßen kräftig gegen die blaue Fußplatte und schiebt sie vom Körper weg. Was bei Erwachsenen einen komplizierten Namen wie Quadrizeps-Trainer hätte, heißt für Max einfach »Caesar« - ein Fitness-Gerät.
Als einer von fünf kleinen Experten testet Max das erste Düsseldorfer Kinder-Fitness-Studio auf seine Praxistauglichkeit. Heike Diehlmann, die Leiterin des »Schwitzkasten« steht daneben und freut sich über die Rasselbande. Mit der wissenschaftlichen Begleitung des Düsseldorfer Sportwissenschaftlers Theodor Stemper will sie den Stadtkindern mehr Bewegung verschaffen. Denn nicht wenige haben es bitter nötig.
»Jedes fünfte Kind in Düsseldorf ist zu dick«, sagt der Herr Stemper. Doch Übergewicht ist nur eines der Probleme. Auch normalgewichtigen Kindern fehlt häufig der Ausgleich für stundenlanges Sitzen und Rucksack-Schleppen. Schon in jungen Jahren leiden viele Kinder unter Kopfschmerzen. Auch Haltungsfehler schleichen sich ein.
Fünf Meter entfernt sitzen Patrick und Leander nebeneinander auf kleinen Fahrradtrainern, strampeln um die Wette, rappen ein paar Zeilen und machen dabei coole Gesten. Im Studio könnten die Betreuer gezielt mit jedem Kind an dessen Problemen arbeiten, sagt Heike Diehlmann. Für Stämmige ist Fitness-Training oft sogar angenehmer, als das viele Laufen im Sportunterricht. »Muss ich auch mal probieren«, quatscht Benjamin dazwischen.
»Gerade etwas mollige Kinder sind häufig gut in Kraftübungen«, sagt Stemper. Über Erfolgserlebnisse mit »Caesar«, »Oscar« oder »Tommy« könnten diese Kinder auch zu schwierigeren Ausdauer-Übungen animiert werden, meint er.
Allerdings lebt ein Großteil zu schwerer Kinder in sozialschwachen Familien. Da sind die Kosten schon mal ein Problem. 25 Euro im Monat müssen Eltern für das Training ihrer Kinder in Düsseldorf zahlen. Um die Preise weiter zu senken, bemüht sich der »Schwitzkasten« um eine Zusammenarbeit mit Krankenkassen und Schulen.
Mit dieser Taktik fährt Heike Jansen in Viersen seit einigen Jahren sehr gut. Seit 2000 leitet sie dort die »Kids Box« - ebenfalls ein Fitness-Studio für Kleine. »Anfangs war alles etwas chaotisch«, sagt sie. Aber inzwischen schicken Ärzte Kinder mit Haltungsfehlern oder Muskelschwächen gezielt zu ihr und viele Krankenkassen übernehmen die Kurse.
In Düsseldorf sitzt Florian auf »Oscar« und trainiert seine Brustmuskeln. Klar, könne er auch draußen laufen oder so. »Aber hier fühlt man sich wohler«, meint der Achtjährige. Spricht es und rutscht ein wenig ins Hohlkreuz. Schon piept »Oscar« und seine gelben Ohren blinken auf. Florian setzt sich wieder zurück und meint grinsend: »Nur das Piepen ist doof.«

Artikel vom 11.02.2006