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Eine Familie
und das große
Vergessen

Autor »will kein Papier produzieren«

Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). Den Umschlag des Romans »Es geht uns gut« schmückt das Foto eines Jungen in kurzer Hose, im Hintergrund die Fahne Österreichs, gemacht vielleicht in den 1960er Jahren. Nachdem diverse Einbandvorschläge für »Es geht uns gut« verworfen worden waren, holte der Autor des Buches, Arno Geiger, die Aufnahme aus seinem Fundus.

»Es stammt vom Flohmarkt und mit diesem Foto ist man schon mitten in der Geschichte,« erzählte er gestern in Bielefeld. Denn er habe einen Roman nicht etwa über das Erinnern, sondern über das Vergessen geschrieben. Sein Protagonist Philipp Erlach entrümpelt das Haus seiner Großeltern und lässt es geschehen, dass alles weggeworfen wird. Arno Geiger: »Das Foto hat offenbar auch niemandem mehr etwas bedeutet.«
Dass »Es geht uns gut« mit dem »Deutschen Buchpreis« ausgezeichnet wurde, habe seine »Erwartungen übertroffen«. Bei der Verkündigung des Preisträgers sei er »der Entspannteste« gewesen: »Zumal mein Verlag zwei andere Titel ins Rennen geschickt hatte und mein Buch aus dem Schatten nachnominiert wurde.« Seine übrigen Bücher, vor »Es geht uns gut« erschienen, seien 2000 oder 3000 Mal verkauft worden, der preisgekrönte Roman inzwischen mehr als 40 000 Mal. Geiger: »Hätte mir das jemand vor einem Jahr gesagt, ich hätte es für Utopie gehalten.« Die qualitative Latte habe er für sich selbst schon immer hoch gelegt: »Ich will kein Papier produzieren, auf dem 'Arno Geiger' steht, ich will keinen Eimer Wasser ins Meer kippen.« Er weiß: Bei seinem nächsten Roman wird die Aufmerksamkeit größer sein. Aber: »Deshalb ist für mich das Schreiben nicht schwieriger.« Vier Jahre habe er an dem Roman geschrieben, eineinhalb davon habe er überlegt, wie er es anstellen sollte, die Figuren aus ihrer eigenen Zeit heraus lebendig zu machen, nicht in der Retrospektive, aus der Enkelsicht, charakterisieren zu lassen. Arno Geiger: »Ich wollte einen Anti-Familienroman schreiben und bin in einen Familienroman hinein gestolpert, der, hoffe ich, das Genre erneuert.« Ähnlichkeiten mit ihm selbst existierten: »Ich habe Züge von Philipp, aber die Alma steht mir im Wesen am nächsten.« In einer Woche nimmt er »Es geht uns gut« als Hörbuch auf. Geiger liest selbst. Das ist ihm lieber, als wenn das ein Schauspieler übernehmen würde: »Das ist Burgtheater, da wird alles über einen Kamm geschert.«

Artikel vom 02.02.2006