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»Kiwi« ist auf den
Geschmack gekommen

Kiefers Schwerpunkte: Davis Cup und die Grand Slams

Von Oliver Kreth
Halle (WB). Gestern schlug er zum ersten Mal wieder ein paar Bälle. Nach seinem Halbfinaleinzug von Melbourne hatte Nicolas Kiefer nämlich ein absolutes Tennis-Verbot. Das ist jetzt wieder aufgehoben - der Davis Cup in Halle macht's möglich.

Der Hannoveraner präsentierte sich in Halle deutlich gereifter. Nach seinem »mit Abstand größten Erfolg« bei einem Grand Slam Turnier will er jetzt wieder den Teamgeist spüren. Doch die Erinnerung an die Schmerzen, an den Kampf, an die Emotionen »down under« hat er noch nicht vergessen. Im Gegenteil. Sie geben ihm einen gewaltigen Schub. Kiefer: »Ich hatte in Melbourne spielerisch nicht mein höchstes Niveau, habe mich nur durchgekämpft. Das macht mir Mut. Denn wenn mal beides zusammen kommt, kann die Saison toll werden.«
Den gefühlten »Rucksack« (»Auf mir lastete ein unglaublicher Druck«) hat er in der trainingsfreien Zeit abgelegt. Das Sportverbot und die Absage des Turniers in Zagreb tun ihm gut. »Kiwi«: Ich habe gelernt auf meinen Körper zu hören. Außerdem habe ich bei den Australian Open morgens, nach jedem Satz, mittags und abends heftige Schmerztabletten genommen. Ich war zwar nicht high, aber gesund für den Körper ist das ja nun wirklich nicht.«
Unglaublich gefreut hat ihn auch die Begeisterung in Deutschland. Wann die ARD das letzte Mal ein Tennisspiel live übertragen hat, daran kann sich der 28-Jährige gar nicht mehr erinnern, und »ich übernehme gerne die Lokomotiven-Funktion, um den weißen Sport wieder in den Vordergrund zu rücken«.
Um diesen Trend fortzusetzen, wäre es natürlich perfekt, wenn die Franzosen vom 10. bis 12. Februar bezwungen werden könnten. Für den Gerry Weber Open-Sieger von 1999 ist es eine besondere Partie, schließlich ist seine Mutter Französin. »Als ich die Auslosung erfuhr, habe ich schon ein bisschen geschluckt. Die Franzosen sind leichte Favoriten. Aber wir haben ein Heimspiel, die Unterstützung der Fans in Halle für uns Deutsche war immer groß. Das müsste klappen.« Ob er am Freitag als Erster oder Zweiter antreten muss, ist ihm egal. »Wenn ich der erste bin, weiß ich wenigstens, dass ich um 14.15 Uhr auf dem Platz stehe«, sagte er lächelnd.
Den Halbfinaleinzug von Melbourne bewertet Kiefer zwar als »Riesenerfolg, es ist aber nur eine Momentaufnahme. Jetzt geht es erst richtig los.« Seine Schwerpunkte sind für 2006 klar: Der Davis Cup hat Priorität (»Schließlich werden wir nicht jünger«), danach kommen die Grand-Slam-Turniere. Langfristige Ziele hat er auch schon benannt: In Peking (2008) und London (2012) will der Silbermedaillen-Gewinner von Athen noch mal den olympischen Geist fühlen. Der spornt ihn nämlich genau so an wie der neue Teamgeist in der deutschen Davis-Cup-Mannschaft.
Gestern besuchte er noch das Spiel seiner Kumpels von Hannover 96 (»Mich haben in Melbourne viele angerufen. Wie Per Mertesacker und auch Trainer Peter Neururer - das hat mich gefreut«). Zuvor präsentierte er seinen neuen Ausrüster. Ab heute aber gilt seine ganze Konzentration nur einem Ziel - dem Davis Cup.

Artikel vom 06.02.2006