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Tanja S. muss stets um
ihre Rente kämpfen

Ein Sportunfall war der Beginn einer langen Odyssee

Von Michael Schläger
Bielefeld (WB). Vor elf Jahren erlitt Tanja S. bei einem Match der Eishockey-Bundesliga der Frauen eine schwere Schulterverletzung. Dass sie berufsunfähig werden würde, konnte sie damals kaum glauben. Und dass sie bis heute um ihre Rente kämpfen muss, schon mal gar nicht. Unterstützung findet Tanja S. beim Sozialverband Deutschland (SoVD).

Es war ein Auswärtsspiel wie jedes andere. Seinerzeit trat die Mannschaft des SV Brackwede in Grefrath an der Grenze zu den Niederlanden an. Durch einen Stockschlag wurde Tanja S. an der rechten Schulter verletzt. Die Verletzung verschlimmerte sich wegen einer Knochenmarksentzündung. Die Schulter musste versteift werden. Die Wirbelsäule ist massiv geschädigt.
»In meinem Beruf konnte ich nicht mehr arbeiten«, sagt Tanja S., die in ihrem Job als Erzieherin aufging und seinerzeit Gruppenleiterin in einer Kindertagesstätte war. Nach einer Odyssee durch verschiedene Krankenhäuser, nach Operationen und Reha-Maßnahmen willigte die damalige Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (heute: Deutsche Rentenversicherung) 1995 in eine Vollrente auf Zeit ein. Drei Jahre später jedoch lehnte sie deren Verlängerung ab - Tanja S. war ohne Einkommen und nach wie vor schwer beeinträchtigt.
In dieser Situation hörte sie vom Sozialverband Deutschland, der damals noch unter der alten Bezeichnung »Reichsbund« bekannt war. »Wir haben die Vertretung von Frau S. übernommen«, sagt Josef Althaus, der für die Beratungsarbeit in Bielefeld zuständig ist. Gegen die Ablehnung wurde Widerspruch eingelegt und Klage beim Sozialgericht Detmold eingereicht. Es kam zum Vergleich: Die BfA zahlte eine Teilrente wegen Berufsunfähigkeit.
Tanja S. hatte damals noch die Hoffnung, dass sie wieder ein normales Leben führen und einem Beruf nachgehen könnte. Die knappe Rente von seinerzeit 1090 Mark und die Nachzahlung linderten zwar die Not, waren aber auf Dauer keine Perspektive. Trotz einer weiteren Operation war Tanja S. nicht in der Lage, auch nur leichte Tätigkeiten zu verrichten. Erneut musste der Sozialverband aktiv werden und eine Vollrente auf Zeit erstreiten.
»Seither wechseln Anträge und Widersprüche einander ständig ab«, berichtet Althaus. Immer wieder gehe es um die Ablehnung der Weiterzahlung, um die fehlende Wiederaufnahme der ruhenden Teilrente. Immer wieder müssen Berichte und Gutachten eingereicht werden. Der Streitpunkt: Ist Tanja S. in der Lage, täglich sechs Stunden zu arbeiten?
»Es wird immer so getan, als wollte ich mich drücken«, sagt Tanja S. »Aber ich kann wirklich nicht arbeiten.« Ihre Beeinträchtigung bestehe nun einmal 24 Stunden am Tag, sei beim morgendlichen Waschen spürbar, beim Anziehen - und selbst im Schlaf.
Der Ärger mit der Rentenkasse allerdings sei nicht der einzige, der sie belaste. »Bei den Ärzten gelte ich inzwischen als austherapiert«, erzählt sie. »Für so einen Fall können wir uns keine Zeit mehr nehmen«, sei eine häufig gehörte Antwort. Obwohl sie eigentlich täglich Anwendungen benötige, bekomme sie nur noch selten Rezepte. Alles andere würde das Budget sprengen, wird argumentiert.
»Hätte ich nicht meine Eltern, bei denen ich bis heute wohne, und wäre mir nicht beim Sozialverband geholfen worden - ich wäre wohl verzweifelt«, sagt die junge Frau. Tanja S., deren Lebensweg innerhalb eines kleinen Augenblicks eine dramatische Wendung nahm, ist heute vor allem wütend. »Ich wünsche mir mehr Gerechtigkeit gegenüber Kranken und Behinderten und dass sie reell behandelt werden.«

Artikel vom 02.02.2006