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Meisterbrief wird
wichtiger denn je

Handwerk erwartet ein Umsatzplus

Von Michael Diekmann
Bielefeld (WB). Das Bielefelder Handwerk liegt voll im Trend. Und der zeigt nach oben. Lena Strothmann, Präsidentin der OWL-Kammer, erwartet für 2006 erstmals seit Beginn von Stagnation und Rückgang vor zehn Jahren wieder ein Umsatzplus. Die Stimmung im Oberzentrum verheißt Anfang Februar, dass aus dem zarten Konjunkturpflänzchen vom Herbst ein ordentlicher Austrieb wird.

Stärker noch als in der Fläche offenbart sich im Oberzentrum die Zunahme der Klein- und Kleinstbetriebe mit all ihren Auswirkungen auf das Handwerk. In Bielefeld stieg die Zahl der Betriebe 2005 insgesamt von 2780 auf 2847 um 67 eingetragene Firmen. Im Kammerbezirk OWL kletterte die Zahl der Betriebe von 19710 (Januar 2004) auf 21071 (Dezember 2005). Allerdings geht der Zuwachs in erster Linie auf die Novellierung der Handwerksordnung zurück: Während die Zahl der auf Meisterbefähigung basierenden Firmen (Vollhandwerk) in Bielefeld nur geringfügig auf 1861 wuchs, stieg die Zahl der Firmen nach Anlage B1 (ohne Meisterbrief) auf 437. Für 549 handwerksähnliche Existenzgründer nach Anlage B2 ist nicht einmal ein Gesellenbrief erforderlich. Dazu gehören 29 Fuger im Hochbau, 131 Selbstständige für den Einbau genormter Bauelemente und zwei Lampenschirmhersteller.
Das zweieinhalb prozentige Umsatzminus des vergangenen Jahres und der erneute Arbeitsplatzabbau (4000 Stellen in OWL) geht für die Kammer zurück auf Auftragslage und steigenden Kostendruck. Stark betroffen einmal mehr die Baubranche, wo nicht nur Lehrstellen verloren gingen, sondern ganze Betriebe und die Zahl der Meisterschüler stark rückläufig ist. Die Zahl der Insolvenzen beziffert Hauptgeschäftsführer Michael Heesing im vergangenen Jahr mit 17 Betrieben. In 2004 waren es noch 22 gewesen. Fundierte Betriebsberatung und intensive Begleitung der Betriebe sorgt vielfach für den guten Ausgang aus einem wirtschaftlichen Engpass, für die Erleichterung der Nachfolgeregelung und den qualifizierten Aufbau von Finanzplänen.
Problematisch aus Sicht von Kammergeschäftsführer Wolfgang Borgert ist allerdings die Entwicklung, die auf die Liberalisierung der Handwerksordnung zurück geht. Gründerwelle und damit verbundene Hoffnungen und Erwartungen, bedauert Wolfgang Borgert, stünden in keinem Verhältnis zueinander. Während sich 80 Prozent der qualifizierten Gründer (Handwerksmeister) beraten lassen, die Zahl der gescheiterten Gründungen bei Meisterbetrieben bei nur zehn Prozent liegt, offenbart sich das Dilemma bei den »freien Gründungen« so genannter Einmann-Betriebe.
Mehr als zwei Drittel der Teilnehmer in den Gründerberatungen, bedauern die Bielefelder, sind ohne jeglichen Bezug zum Handwerk, ohne Meisterbrief oder sogar ohne Gesellenbrief. Borgert: »Da fehlt kaufmännisches Basiswissen und jegliche Einsicht, dass man das braucht.« Das Ergebnis: Die meisten Neugründungen schaffen es nur knapp über das Ende der öffentlichen Förderdauer hinaus, bevor sie kommentarlos auslaufen. Um so wichtiger ist für die Bielefelder Kammerspitze, dem Verbraucher den Meisterbrief und das Attribut des Meisterbetriebs als Qualitätsmerkmal für die Auftragsausführung noch näher zu bringen, um Enttäuschungen und Ärger zu vermeiden.

Artikel vom 02.02.2006