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Hans-Jürgen Hofacker weist den Vorwurf zurück, Bethel nehme seine soziale Verantwortung nicht wahr.

Bethel besinnt sich
auf sein Kerngeschäft

Nach Bäckerei: Kfz-Werkstatt und Wäscherei vor dem Aus

Von Uwe Koch
Bielefeld (WB). Ein klares Bekenntnis zu ihren ureigensten Aufgaben haben die von Bodelschwinghschen Anstalten abgelegt: »Der Betrieb einer Bäckerei ist keine satzungsgemäße Aufgabe Bethels«, hat Hans-Jürgen Hofacker, Vorstand für Finanzen und Betriebswirtschaft in Bethel, erklärt. Den Vorwurf aus Mitarbeiterkreisen, soziale Verantwortung nicht wahrzunehmen, wies Hofacker klar zurück. Bethel besinne sich »auf sein Kerngeschäft«.

Die Schließung der Bäckerei Bethel zum 31. Dezember 2005 hat zu einer Diskussion um die Grundfeste des Selbstverständnisses der von Bodelschwinghschen Anstalten geführt. Der 130 Jahre alte Betrieb beschäftigte seinerzeit 35 Mitarbeiter, darunter waren drei Bäckermeister, vier Auszubildende und fünf Menschen mit Behinderungen.
Aus dem Vorgehen bezüglich einer Übernahme eines insolventen externen Betriebes und aus den Verhandlungen über eine Betriebsübernahme durch die Bäckerei Olsson resultierten im vergangenen Jahr massive Spannungen zwischen Mitarbeitern und Bethel-Vorstand. Die Bethel-Oberen versagten der ersten Lösung, nämlich dem Kauf der in Insolvenz befindlichen Bäckerei Kaupmann, den Zuschlag. Daß sich die Bäckerei Bethel damit ein Plus von weiteren 30 Mitarbeitern ans Bein gebunden hätte, hielt Hofacker für keine Lösung: »Das wäre betriebswirtschaftlich unmöglich gewesen.«
Zudem hätte »das Risiko einer Investition« nicht nur den Betrieb der Bäckerei sondern »auch Bethel immer weiter nach außen getrieben«, erläuterte der Finanzvorstand jetzt im Gespräch mit dieser Zeitung. Hofacker: »Darauf gibt es nur eine klare Antwort: Das machen wir nicht!«
Weitere Verhandlungen mit der Bäckerei über eine Betriebsübernahme seien weit gediehen und weitreichend auch für die Anstalten gewesen, hätten zudem die Mitarbeiter des Betriebes auf Jahre hinaus abgesichert. Das Unternehmen Olsson habe 23 Mitarbeiter übernehmen sollen, mindestens ein Jahr lang hätte der neue Arbeitgeber die üblichen Vergütungen zahlen müssen. Hofacker: »Aus unserer arbeitsrechtlichen Sicht wären diese Vergütungen über Jahre hinweg geleistet worden.« Die Mitarbeiter hatten die untertariflichen Leistungen des möglichen neuen Arbeitgebers beklagt, und somit in letzter Konsequenz einer Betriebsübernahme widersprochen. Für Hofacker ist diese Haltung auch heute noch, ein Dreivierteljahr nach den intensiven Verhandlungen, unverständlich. Bethel hätte immerhin auch die Zahlungen für die Pensionskasse der Mitarbeiter bis Ende 2008 übernommen. »Niemand hätte sich bis Ende 2008 schlechter gestellt«, ist Hofacker nach wie vor von der uneinsichtigen Haltung der Mitarbeiter schwer enttäuscht.
Die Anstalten wollten »keinesfalls einen Produktionsbetrieb erhalten«, hält er an der unnachgiebigen Einstellung fest. Nur: »Es hat wohl niemand so recht geglaubt, daß wir standhaft bleiben.« So sei es gekommen, wie es kommen mußte: Planmäßig schloß die Bäckerei zum Ende des Jahres 2005; die Bäckerei Olsson betreibt weiterhin nur den Laden. Daß es erst im Verlauf der Verhandlungen zu Änderungskündigungen kam, lasse sich Bethel nicht vorwerfen. Auch nicht, daß einige der Mitarbeiter nun noch bis zum 31. März als Mitarbeiter der Bäckerei beschäftigt und bezahlt werden müssen.
Hofacker indes bilanzierte die Kosten für die Betriebsaufgabe mit 910 000 Euro; darin sei schon ein Umsatzverlust für 2005 in Höhe von 550 000 Euro enthalten. Maßgeblicher Grund dafür war der Ausstieg eines potenten Bielefelder Geschäftspartners aus dem öffentlichen Bereich. »Der Markt ist gegen uns gelaufen.« Soll heißen: Mit grassierenden Dumpingpreisen für Brot und Brötchen habe die Bäckerei nicht gegenhalten können. Defizite im Betrieb seien »seit zehn Jahren aufgelaufen«, auch drei Wechsel in der Leitung hätten keine Besserung gebracht.
In den von Bodelschwinghschen Anstalten habe nun ein Umdenkungsprozeß eingesetzt, um auch weiterhin im »Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Diakonie einen Ausgleich zu erarbeiten«. Nach der Schließung der Bäckerei wird daher auch die Wäscherei keine Zukunft haben, es laufen Gespräche zur Übernahme mit einem Unternehmen aus Süddeutschland.
Und auch die Automobilwerkstatt steht nach Hofackers Worten vor dem Aus: Stichtag soll der 31. Juni 2006 sein, der Interessent heiße Daimler-Chrysler. Weitere Pläne wollte der Finanzvorstand derzeit nicht erörtern.
Vorrang habe nun eindeutig, den »Menschen zu helfen, einen Platz in dieser Gesellschaft zu finden«, sagt Hofacker. Möglich sei das jedoch nur »in dem Rahmen, den diese Gesellschaft uns steckt«. Seit jeher habe es in Bethel »Hilfsbetriebe« gegeben, für »die wir irgendwann die Käseglocke der Anstalten gehoben haben. Wir haben uns geöffnet, die Betriebe durften sich dem Wettbewerb stellen.« Darüber hinaus habe man den »Ortschaftscharakter Bethels« erhalten wollen. »Wir brauchen die Infrastruktur für die Lebensqualität.« Allerdings habe das Heben der Glocke auch für größeren Außenumsatz gesorgt. Dies erhöhte schließlich das betriebswirtschaftliche Risiko, das Bethel nicht mehr tragen wollte.
»Der Betrieb einer Bäckerei ist kein satzungsgemäßer Auftrag«, bekräftigt Hofacker die alte und neue Bethelsche Glaubenslehre. Und: »Bäckerjobs haben wir nicht«, daher auch die Änderungskündigungen mit Berufsfeldern als Reinigungskräfte, Hausmeister oder Verwaltungsanstellte »und die üblichen Lohneinbußen«.
Den Terminen der Hauptverhandlungen vor dem Arbeitsgericht Bielefeld sieht Hofacker daher gelassen entgegen. Im März wird dort über die Kündigungsschutzklagen mehrerer Mitarbeiter prozessiert. Allerdings verhehlt Hofacker nicht sein Entsetzen darüber, daß die Mitarbeiter leider auch die vier Auszubildenden der Bäckerei mit in ihr Boot gezogen haben. »Sie haben denen die Zukunft vergällt.« Nur eine Betriebsübernahme hätte die Ausbildung garantiert, so blieb nur eine fristlose Kündigung.

Artikel vom 08.02.2006