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»Anton«-Gebot von Mitarbeiter
der Sparkasse

Zwangsversteigerung: Wertgrenzen gesprengt

Von Uwe Koch
Hillegossen (WB). Galgenfrist für eines der traditionsreichsten Lokale Bielefelds: Die Zwangsversteigerung der Gaststätte »Zum Eisernen Anton« ist am Mittwoch vor dem Amtsgericht Bielefeld vertagt worden. Ein Gebot in Höhe von nur 50 000 Euro blieb weit unter den Wertgrenzen. Ein Gutachter hat den Wert der Immobilie immerhin auf 300 987 Euro taxiert.

Fünf Jahre nach dem Namensgeber, dem Bismarckturm »Eiserner Anton«, wurde im Jahr 1900 unweit davon auf dem Kamm des Teutoburger Waldes das Ausflugslokal erbaut. Das Café-Restaurant an der Osningstraße zog noch bis in die 90er Jahre seine Stammgäste an. Die Betreiberfamilie Ernst bot darüber hinaus auch einige Hotelzimmer an, das Haus wurde zudem von der Bielefeld Marketing beworben.
In den Jahren 1961 und 1991 gab es Erweiterungsbauten an dem Gebäude, sieben Jahre später wurde sogar mit einem Rohbau von zwei zusätzlichen Geschossen begonnen, in den der Hotelbetrieb ausgeweitet werden sollte. Bei diesem Bauzustand blieb es bis heute. Bereits 2001 wurde erstmals ein Verfahren zur Zwangsversteigerung aufgenommen, das indes im Folgejahr eingestellt wurde.
Der Bettreiber des neuerlichen Verfahrens ist nun die Stadtkasse Bielefeld, die auf diese Weise Grundbesitzabgaben von der Eigentümerin Gabriele Wittler eintreiben wollte. Die Sparkasse Bielefeld war dem Verfahren nach Auskunft des Amtsgerichts Bielefeld als weitere Gläubigerin beigetreten.
Die Immobilie steht auf einem Areal von 1 644 Quadratmetern. Der Betrieb selbst hat 344 Quadratmeter Nutzfläche. Architekt Dipl.-Ing Friedrich Allersmeier hat in seinem Gutachten die Immobilie wie folgt bewertet: »Der bauliche Zustand hat sich seit 2000 nur unwesentlich verändert. Der Leerstand den oberen Etagen beeinflußt den Wert negativ. Der Verkauf der Immobilie ist schwierig angesichts einer schlechten Marktlage.« Dazu trägt nach Ansicht des Sachverständigen sicherlich auch der »mäßige« Unterhaltungszustand bei.
Rechtspfleger Tim Möller eröffnete gestern um 10.45 Uhr offiziell die Bieterstunde, in der fast bis zum Schluß nichts Nennenswertes geschah. Erst dann gab ein junger Rechtsreferendar mit 50 000 Euro das einzige Gebot der Bieterstunde ab. Da dieses Gebot allerdings weiter unterhalb der 5/10-Grenze des Verkehrswertes lag, versagte Möller in seinem Beschluß den Zuschlag.
Pikantes Detail: Der 34-jährige Bieter hospitiert derzeit im Spakassen-Immobilien-Service, er leistet dort im Zuge seines Rechtsreferendariats eine seiner Wahlstation ab. Tim Möller machte jedoch deutlich, daß der Bundesgerichtshof (BGH) mit einer jüngsten Entscheidung Mitarbeitern von Banken und Sparkassen das Bieten bei Zwangsversteigerungen untersagt habe. Das Prozedere müsse künftig auch am Amtsgericht Bielefeld sehr genau unter die Lupe genommen werden. Ein Vertreter der Sparkasse indes erklärte das Vorgehen aus »taktischen Gründen für legitim«. Mit dem Gebot und dem Versagen des Zuschlages ist immerhin ein Ziel erreicht worden: Die bisherigen Wertgrenzen für einen weiteren Zwangsversteigerungstermin sind gesprengt worden.

Artikel vom 02.02.2006