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Gescherzt - und alles vergessen

Tödlicher Bungee-Unfall: Schaustellergehilfen hatten keinerlei Schulung

Trier (dpa). Eineinhalb Jahre nach dem Todessturz einer 14-Jährigen aus einer »Bungee-Kugel« während einer Kirmes hat gestern der Prozess gegen fünf Verantwortliche vor dem Landgericht Trier begonnen.
Aus einer Bungee-Kugel wie dieser wurden die Mädchen herausgeschleudert. Foto: Nicole Koch

Dem Betreiber-Ehepaar des Fahrgeschäfts und drei seiner Angestellten wird fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung vorgeworfen. Die »Bungee-Kugel« war auf der Kirmes in Daun (Eifel) 65 Meter in die Höhe katapultiert worden, obwohl die Schülerin und ihre Freundin (16) nicht angeschnallt waren.
Während sich die Ältere am Gestänge der Kugel festklammern konnte, stürzte die 14-Jährige in den Tod. Die 16-Jährige kam mit einem Schock und Prellungen davon. Nach dem Verlust ihrer Freundin leidet sie aber unter psychischen Problemen.
Die drei Schaustellergehilfen, die zum Zeitpunkt des Unfalls am 10. August 2004 an der sogenannten Slingshot-Anlage für den Betrieb zuständig waren, können sich nach eigener Aussage nicht erklären, wie es zu dem Unglück kommen konnte. Sie hätten mit den Mädchen gescherzt - dabei aber wohl vergessen, ihnen die Gurte anzulegen und die Haltebügel herunterzuklappen, sagten sie vor Gericht aus.
Als der 25-jährige Angeklagte aus Hof dann den 30 Sekunden dauernden Spannvorgang der Gummiseile einleitete und auf den Auslöser drückte, ging alles rasend schnell: »Ich habe nur noch gesehen, wie die Kugel in 65 Meter Höhe schoss und das Mädchen rausgeflogen ist«, sagte er unter Tränen. Er wisse nicht, warum er sich vorher nicht vergewissert habe, ob die Schülerinnen gesichert waren.
Die drei Männer hätten nie am Bungee-Katapult arbeiten dürfen. Keiner von ihnen hatte die vorgeschriebene Schulung der Herstellerfirma besucht. Auch am Seminar der Berufsgenossenschaft hatten weder der 25-Jährige noch seine 33 und 25 Jahre alten Kollegen aus Hamburg und aus Polen teilgenommen. Auch deshalb wirft die Staatsanwaltschaft dem 56 Jahre alten Betreiber der Anlage und seiner Frau (52) Mitschuld vor. Die beiden machten zum Zeitpunkt des Unglücks Pause im Wohnwagen. Im Gerichtssaal zeigten sie sich fassungslos: »Es ist für uns alle unverständlich, dass das passieren konnte«, sagte die Frau.
Heftige Kritik an den »laschen« Sicherheitsvorkehrungen übte der Vater des getöteten Mädchens. »Es ist ein Unding, dass so eine Anlage betrieben werden darf von Leuten, die nicht geschult und nicht kontrolliert werden«, sagte der Geschäftsführer einer Maschinenbaufirma. Der Tod seiner Tochter hätte mit einem einfachen Relais für weniger als 50 Euro verhindert werden können: Diese Vorrichtung erlaubt den Start der Kugel erst nach Schließen der Haltebügel und Gurte.
Der Prozess soll heute und morgen fortgesetzt werden.

Artikel vom 02.02.2006